Jagd auf Jesse James
auf den freundlichen Boy aus dem Excelsior Hotel war Pohawe eine Welle von Feindseligkeit und Intoleranz entgegengeschlagen.
Lange Zeit starrte die Comanchin auf das Wasser, das im Glanz der Sonne wie flüssiges Silber glitzerte. Heute Mittag würde sie noch einmal in die Stadt reiten. Doch diesmal musste sie es klüger anstellen. Was sie brauchte, war ein Verbündeter in der Stadt. Natürlich müsste es ein Weißer sein. In seiner Begleitung würde man ihrer Person mehr Respekt zollen.
Der Junge aus dem Hotel war genau der Richtige für diese Aufgabe. So weit sie ihn kannte, hatte er keine Vorurteile gegen Indianer. Mehr noch: Als sie von der Bande des einäugigen Hitzkopfes bedrängt wurde, hatte er sich besorgt nach ihrem Befinden erkundigt.
Ich muss diesen Jungen noch einmal treffen , dachte sie.
Während sie mit einem Stock in der Glut stocherte, fiel ihr der Mann namens Bob Ford ein. Wäre er nicht zufällig des Wegs gekommen, hätte die Sache am Zügelholm schlimmer ausgehen können.
Viel schlimmer.
Pohawe wusste nicht erst seit gestern, wozu aufgeputschte weiße Männer fähig waren. Sie beschäftigte sich eine Zeitlang mit der Frage, ob sie nach diesem Bob Ford Ausschau halten sollte. Möglicherweise war er der bessere Verbündete. Jedenfalls verstand er es, mit Hilfe seines Schießeisens übelwollende Mitmenschen auf Distanz zu halten. Allerdings gehörte dieser Mr. Ford zu der berüchtigten Verbrecherbande, von deren Überfällen und Morden Pohawe schon mehr als genug gehört hatte.
Nein, mit einem Desperado wollte sie kein Bündnis. Sie würde sich auf den Jungen aus dem Hotel konzentrieren. Dem würde es nicht schwerfallen, Kontakt mit Lassiter herzustellen, sobald der in der Stadt war.
Gedankenvoll strich sie über ihren Bauch.
Der gellende Ton einer Dampfpfeife unterbrach ihre Betrachtungen.
Von Fort Leavenworth näherte sich der löffelförmige Bug eines Flussdampfers. Aus seinen beiden rußgeschwärzten Schornsteinen quoll schwärzlicher Rauch. Pohawe wusste, dass so ein Mountain Boat zweihundert Tonnen Fracht aufnehmen konnte, sogar bei Niedrigwasser. In den Kabinen für die Passagiere gab es allerhand Luxus.
Langsam kam das stampfende Ungetüm näher. SILVER BOW stand mit roten Großbuchstaben auf dem Ruderhaus.
Als das Schiff an ihrem Lagerplatz vorbeifuhr, brüllten ein paar Männer, die auf dem Promenadendeck standen, ihr etwas zu. Der Wind zerpflückte ihr Gegröle in der Luft, und Pohawe konnte kein Wort verstehen. Aber ihr untrüglicher Instinkt verriet ihr, dass es keine Schmeicheleien waren, die die Männer ihr zuriefen, ganz im Gegenteil.
Sie ignorierte die Brüllaffen und beobachtete, wie das große Heckrad das Wasser aufschäumte. Bald verschwand der Dampfer in einer Flusskrümmung.
Plötzlich wurde Pohawe auf eine Kiste aufmerksam, die auf den gischtsprühenden Wogen schaukelte. Offensichtlich war das Teil über Bord gefallen, und keiner der Schiffsreisenden hatte den Verlust bemerkt.
Pohawe schärfte ihren Blick. Der böige Wind trieb die Kiste auf das westliche Ufer zu – das Ufer, auf dem sie sich befand. Schon bald würde das Holzding an Land gespült werden. Allerdings nicht in Nähe ihres Lagerplatzes, sondern weiter südlich.
Im Nu hatte Pohawe das Feuer ausgetreten und thronte im Sattel auf ihrem Mustang. Auf dem parallel zum Fluss verlaufenden Trampelpfad ritt sie der Stelle entgegen, wo das Strandgut vermutlich landen würde.
Insgeheim fragte sie sich, was die Kiste wohl enthielt. Sie war nicht allzu schwer, sonst wäre sie längst in den Fluten versunken. Vielleicht waren einige interessante Utensilien darin, wie sie weiße Frauen benutzten. Farbige Haarkämme, Schleifen aus Samt, Borten, funkelnder Modeschmuck oder sogar Duftwasser aus den Ländern hinter dem Großen Wasser.
Pohawes Herz schlug zunehmend schneller.
Nach einer halben Meile schwand allerdings ihre Hoffnung, die Kiste zu bergen. Der Wind hatte gedreht und wehte jetzt aus westlicher Richtung auf den Fluss hinaus. Der Behälter trieb auf den entgegengesetzten Uferstreifen zu.
Enttäuscht zügelte Pohawe das Pony. Mit traurigen Augen blickte sie der entschwindenden Kiste hinterher, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwand.
Schade, sie hätte allzu gern gewusst, was darin gewesen war.
Schnell hakte sie die Sache ab und wandte sich wieder der Wirklichkeit zu. Sie entschied, direkt vom Fluss aus nach St. Joseph zu reiten, um dem Hotelboy einen Besuch abzustatten. Natürlich würde sie nicht so
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