Jagd auf Roter Oktober
laut und bemühte sich um einen betrübten Tonfall. »Das ist eines von unseren Instrumenten. Ich kann zwar die Seriennummer nicht lesen, aber es gehört eindeutig uns.«
»Legen Sie das in den Korb, Jess«, befahl Johnsen.
»Aye.« Overton legte die Armatur in einen am Bug befestigten Drahtkorb und brachte dann den Greifarm in Ruhelage. »Wir rühren Schlick auf. Gehen wir ein bisschen höher.« Er erhöhte die Propellerdrehzahl und steuerte die Sea Cliff sechs Meter über Grund.
»Schon besser. Sehen Sie die Strömung, Mr. Johnsen? Gut zwei Knoten. Müssen unsere Tauchzeit verkürzen.« Die Strömung wirbelte die Schlickwolke rasch nach Backbord. »Wo ist der große Brocken?«
»Direkt vor uns, rund hundert Meter entfernt. Den müssen wir uns unbedingt ansehen.«
»Gut. Wir fahren vorwärts – da ist etwas, das wie ein Metzgermesser aussieht. Brauchen wir das?«
»Nein, fahren wir weiter.«
»Gut. Abstand?«
»Sechzig Meter. Objekt müsste bald in Sicht kommen.«
Die beiden Offiziere sahen es auf dem Bildschirm, Overton zur gleichen Zeit durchs Bullauge. Anfangs war es nur ein Schemen, der verblasste und dann schärfer wiederkehrte.
Overton reagierte als erster. »Mann!«
Es war über zehn Meter lang und rund. Sie näherten sich seinem rückwärtigen Ende, sahen einen Kreis und darin vier Schubdüsen, die ein wenig hervorstanden.
»Eine Rakete, Skipper, eine russische Rakete!«
»Halten Sie Position, Jess.«
»Aye aye.« Overton nahm die Propellersteuerung zurück.
»Sagten Sie nicht, es handelte sich um ein Victor ?«, fragte Johnsen den Russen.
»Muss mich geirrt haben.« Kaganowitschs Mund zuckte.
»Sehen wir uns das mal genauer an, Jess.«
Sea Cliff fuhr neben die Rakete. Sie erkannten die kyrillische Beschriftung deutlich, waren aber zu weit entfernt, um die Seriennummer lesen zu können. Welcher Fund für die Navy: eine SS-N-20 Seahawk mit acht Sprengköpfen zu je fünfhundert Kilotonnen.
Kaganowitsch merkte sich die Kennzeichnung der Rakete sorgfältig. Über die Seahawk war er erst kurz vorm Start von der Kiew informiert worden, denn als Offizier vom Nachrichtendienst kannte er sich mit amerikanischen Waffen besser aus als mit sowjetischen.
Wie günstig, dachte er. Die Amerikaner ließen ihn in einem ihrer modernsten Forschungsboote mitfahren, dessen Inneres er sich bereits genau eingeprägt hatte, und erledigten seinen Auftrag – nun stand fest, dass Roter Oktober gesunken war. Nun brauchte er diese Information nur noch an Admiral Stralbo auf der Kirow weiterzugeben und dann konnte die Flotte die amerikanische Küste verlassen. Sollten die Yankees doch einmal ins Norwegische Meer kommen und dort ihre hässlichen Spiele wagen. Mal sehen, wer dort oben gewann!
»Position halten. Markieren Sie das Ding.«
»Aye.« Overton drückte einen Knopf und warf einen Sonar-Antwortsender ab, der nur auf ein verschlüsseltes amerikanisches Sonar-Signal reagierte und ihnen den Weg zurück zur Rakete weisen würde. Später würden sie das Geschoss mit einer Trosse an die Oberfläche hieven lassen.
»Es handelt sich um Eigentum der Sowjetunion«, sagte Kaganowitsch scharf. »Es liegt in internationalem Gewässer und gehört meinem Land.«
»Scheiß drauf! Holt es euch doch selbst!«, fuhr ihn der Matrose an. Kaganowitsch hielt ihn für einen verkleideten Offizier. Wie konnte sich ein Mannschaftsgrad eine solche Ausdrucksweise erlauben? »Verzeihung, Mr. Johnsen«, sagte Overton.
»Wir kommen zurück«, meinte Johnsen.
»Die heben Sie nie«, wandte Kaganowitsch ein. »Die ist viel zu schwer.«
»Wer weiß?« Johnsen lächelte.
Kaganowitsch ließ die Amerikaner den kleinen Sieg genießen, denn es hätte sehr viel schlimmer ausgehen können. »Sollen wir nach weiteren Wrackteilen suchen?«
»Nein, wir tauchen besser auf«, entschied Johnsen.
»Aber Ihr Befehl –«
»Mein Befehl lautete: Suchen Sie nach den Überresten eines Jagd-U-Boots der Victor-Klasse. Gefunden haben wir das Grab eines strategischen Bootes. Sie haben uns belogen, Kapitän, und von nun an hat es mit der Höflichkeit ein Ende. Sie haben vermutlich, was Sie wollen. Später kommen wir zurück und holen uns, was wir wollen.« Johnsen legte den Hebel um, der den Eisenballast freigab. Die Metallplatte fiel auf den Meeresboden und gab der Sea Cliff fünfhundert Kilo Auftrieb. Nun mussten sie auftauchen, ob sie wollten oder nicht.
»Fahren wir heim, Jess.«
»Aye aye, Skipper.«
Auf der Fahrt zur Oberfläche herrschte
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