Jagd auf Roter Oktober
Naturgesetz. Selbstvertrauen, das schon an Arroganz grenzt, ist für Chirurgen typisch.
»Wir danken Ihnen, Doktor«, sagte Borodin.
Noyes zuckte die Achseln. »Dafür werde ich bezahlt. Darf ich nun mal eine Frage stellen? Was geht hier eigentlich vor?«
Borodin lachte und übersetzte seinen Kameraden die Frage. »Wir wollen alle amerikanische Bürger werden.«
»Und das U-Boot haben Sie einfach mitgebracht? Donnerwetter. Wahrscheinlich darf ich das niemandem verraten.«
»Korrekt.« Ryan lächelte.
»Schade.« Noyes murmelte vor sich hin und wandte sich zurück zum Lazarett.
Moskau
»Sie haben uns also einen Erfolg zu melden, Genosse?«, fragte Narmonow.
»Jawohl, Genosse Generalsekretär.« Gorschkow nickte und sah in dem unterirdischen Befehlsstand in die Runde. Alle Mitglieder des inneren Kreises waren anwesend, dazu die Befehlshaber der Teilstreitkräfte und der Chef des KGB. »Der Nachrichtendienstoffizier von Admiral Stralbos Flotte, Hauptmann Kaganowitsch, bekam von den Amerikanern Erlaubnis, sich die Wrackteile von einem Tiefsee-Tauchboot aus anzusehen. Geborgen wurde ein Tiefenmesser, der anhand der Seriennummer als eindeutig von Roter Oktober stammend identifiziert werden konnte. Außerdem inspizierte Kaganowitsch eine Rakete, die anscheinend weggesprengt wurde. Roter Oktober ist vernichtet. Unser Auftrag ist erfüllt.«
»Glückssache, Admiral, nicht Ihr Verdienst«, betonte Michail Alexandrow. »Ihre Flotte hat versagt. Sie sollte das U-Boot orten und zerstören. Genosse Gerasimow hat Neuigkeiten für Sie.«
Nikolai Gerasimow war der neue KGB-Chef. Er hatte seinen Bericht schon unter den politischen Mitgliedern der Runde zirkulieren lassen und brannte nun darauf, ihn den stolzierenden Pfauen in Uniform unter die Nase zu reiben. Das KGB hatte mit ihnen nämlich eine Rechnung zu begleichen. Gerasimow fasste kurz den Inhalt des Reports zusammen, den er von Agent Cassius erhalten hatte.
»Ausgeschlossen!«, schnappte Gorschkow.
»Mag sein«, gestand Gerasimow verbindlich zu. »Es ist gut möglich, dass es sich um eine geschickte Desinformation handelt. Unsere Agenten gehen der Sache inzwischen nach. Allerdings existieren einige interessante Details, die diese Hypothese stützen. Gestatten Sie, dass ich näher auf sie eingehe, Admiral.
Erstens, warum ließen die Amerikaner unseren Mann auf eines ihrer modernsten Forschungs-Tauchboote? Zweitens, warum unterstützten sie uns, retteten unseren Mann von der Politowski und gewährten uns auch noch Zugang zu ihm? Aus Menschenfreundlichkeit wohl kaum. Drittens, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie diesen Mann aufnahmen, belästigten ihre Luft- und Marineeinheiten unsere Flotte auf eklatante und aggressive Weise. Dies aber fand jäh ein Ende, und einen Tag später überschlugen sie sich fast, um uns bei unserer ›Rettungsaktion‹ zu unterstützen.«
»Der Grund ist Admiral Stralbos weise und mutige Entscheidung, nicht auf ihre Provokationen zu reagieren«, erwiderte Gorschkow.
Gerasimow nickte höflich. »Mag sein. Der Entschluss des Admirals war intelligent. Andererseits ist es aber auch möglich, dass den Amerikanern um diese Zeit die Informationen zugingen, die Cassius an uns weitergab. Es ist auch denkbar, dass die Amerikaner unsere Reaktion fürchteten, wir sollten den Verdacht schöpfen, dass es sich bei der ganzen Angelegenheit um eine CIA-Operation handelte. Inzwischen wissen wir, dass mehrere westliche Geheimdienste den Anlass für diese Flottenoperation zu ermitteln versuchen.
Wir haben im Lauf der letzten Tage selbst einige Erkundigungen eingezogen und festgestellt«, Gerasimow konsultierte seine Unterlagen, »dass auf der U-Boot-Werft Polyarniji neunundzwanzig polnische Ingenieure beschäftigt sind, dass Post und Nachrichten sehr lasch behandelt werden und dass Kapitän Ramius nicht wie in seinem angeblichen Brief angekündigt nach New York fuhr, sondern tausend Kilometer weiter südlich lag, als sein Boot zerstört wurde.«
»Ramius versuchte offensichtlich, uns in die Irre zu führen«, wandte Gorschkow ein. »Aus diesem Grund deckte unsere Flotte alle amerikanischen Häfen ab.«
»Ohne ihn zu finden«, stellte Alexandrow leise fest. »Weiter, Genosse.«
Gerasimow fuhr fort. »Ich möchte nun nicht behaupten, dass diese Geschichte wahr oder zu diesem Zeitpunkt auch nur wahrscheinlich ist«, erklärte er in distanziertem Tonfall, »aber sie wird von so vielen Indizien gestützt, dass ich eine eingehende Untersuchung der Affäre durch
Weitere Kostenlose Bücher