Jagd auf Roter Oktober
hatte erst mit dem Kreiselkompass und dann mit dem Radar ortenden ESM-Gerät, das sich in einer Kapsel unter dem stummligen Seitenruder befand, navigiert. Kapitänleutnant Wiktor Schawrows Auftrag war nicht einfach. Er sollte sich dem amerikanischen Radarüberwachungsflugzeug vom Typ E-3A Sentry nähern, das seine Flotte nun schon seit drei Tagen beschattete. Das AWACS hatte sich bewusst außerhalb der Reichweite der Luftabwehrraketen gehalten, war aber so nahe herangegangen, dass es jedes Manöver der Flotte und jedes Funksignal an seine Befehlsstelle weitermelden konnte.
Schawrows Mission war, etwas zu unternehmen. Schießen konnte er selbstverständlich nicht. Dies hatte Admiral Stralbo von der Kirow in seinem Befehl deutlich klargemacht. Unter den Flügeln aber hatte er zwei Hitze suchende Luftkampfraketen vom Typ Atoll, die er dem Gegner vorführen wollte. Er und sein Admiral wollten ihnen eine Lektion erteilen: Die sowjetische Marine duldete keine Schnüffler in ihrer Nähe; und ein Unfall konnte schließlich immer mal passieren. Diese Mission war Schawrow die Mühe wert.
Und anstrengen musste er sich in der Tat. Um nicht von den Radargeräten des AWACS erfasst zu werden, musste er so langsam und tief wie möglich fliegen, knapp zwanzig Meter über dem rauen Atlantik; auf diese Weise verlor er sich in der Seereflexion. Seine Geschwindigkeit betrug nur zweihundert Knoten. So sparte er Treibstoff, was auch nötig war, da er bei dieser Mission an die Grenze seiner Reichweite herangehen musste. Der Flug war rau, weil die Maschine von Turbulenzen über den Brechern gebeutelt wurde. Tief hängender Dunst reduzierte die Sichtweite auf wenige Kilometer. Umso besser, dachte er. Er war für diesen Auftrag ausgewählt worden, weil er einer der wenigen sowjetischen Piloten mit Tiefflugerfahrung war. Schawrow war nicht aus eigener Entscheidung Marineflieger geworden. Angefangen hatte er als Pilot von Kampfhubschraubern bei Fronteinsätzen in Afghanistan und war nach einem blutigen Lehrjahr auf einen Jäger aufgestiegen. Schawrow war Experte im Fliegen auf Baumwipfelhöhe, einer Fertigkeit, die er bei der Jagd auf Guerillas notwendigerweise erworben hatte. Die Marine hatte von seinem Können erfahren und ihn angefordert, ohne ihn erst zu fragen.
Schawrow war noch nie gegen die Amerikaner geflogen, nur gegen die Waffen, die sie den afghanischen Banditen lieferten. Diese Waffen hatten gute Freunde von ihm getötet, und jene, die einen Absturz überlebt hatten, waren von den Afghanen auf grässliche Weise hingeschlachtet worden. Es würde ihm wohl tun, den Imperialisten höchstpersönlich eine Lektion zu erteilen.
Das Radarsignal wurde stärker. Ein Tonbandgerät unter seinem Schleudersitz zeichnete konstant das Radarsignal der amerikanischen Maschine auf, damit die Wissenschaftler einen Weg finden konnten, das fliegende Auge der Amerikaner zu stören und zu blenden. Schließlich handelte es sich nur um eine modifizierte Boeing 707, eine aufgemotzte Passagiermaschine und bestimmt kein würdiger Gegenspieler für ein Fliegeras. Schawrow schaute auf die Karte. Er musste sein Ziel bald finden. Dann überprüfte er seinen Treibstoffvorrat. Seinen letzten Flügeltank hatte er vor wenigen Minuten abgeworfen und verfügte nun nur noch über den Inhalt seiner Innentanks. Die Triebwerke fraßen Treibstoff, und er rechnete damit, bei der Landung auf seinem Schiff nur noch einen Vorrat für fünf oder zehn Minuten Flugzeit an Bord zu haben. Dies beunruhigte ihn nicht, denn er hatte bereits über hundert Trägerlandungen hinter sich.
Dort! Sein scharfes Auge sah, wie sich bei ein Uhr hoch die Sonne auf etwas spiegelte. Schawrow zog den Steuerknüppel ein wenig zurück und beschleunigte sanft, zog seine Forger in den Steigflug. Wenig später war er auf tausend Meter. Nun konnte er die Sentry sehen, deren blauer Anstrich mit dem dunkler werdenden Himmel verschmolz. Er näherte sich seinem Ziel von hinten, und wenn er Glück hatte, würde ihn das Leitwerk von dem Suchstrahl der rotierenden Radarantenne abschirmen. Perfekt! Er beabsichtigte, ein paar Mal an der Sentry vorbeizuzischen, der Besatzung seine Atoll-Raketen zu zeigen, und dann –
Schawrow kam langsam zu Bewusstsein, dass er einen Flügelmann hatte.
Genauer gesagt, zwei.
Links und rechts hingen in fünfzig Meter Entfernung zwei amerikanische F-15-Eagle-Jäger. Ein behelmter Pilot schaute zu ihm herüber.
»YAK-106. YAK-106, bitte melden.« Die Stimme in seinem SSB
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