Jagd auf Roter Oktober
(Seitenband)-Radio sprach in fehlerfreiem Russisch. Schawrow meldete sich nicht. Sie hatten seine Nummer vom Triebwerk abgelesen, ehe er sie überhaupt entdeckt hatte.
»106, 106, Sie nähern sich Sentry. Bitte identifizieren Sie sich und Ihre Absichten. Wir werden ein bisschen nervös, wenn plötzlich ein Jäger in der Gegend herumstreunt, und sind Ihnen deshalb seit hundert Kilometern gefolgt. Zu dritt.«
Zu dritt? Schawrow wandte den Kopf. Eine dritte F-15 mit vier Sparrow-Raketen lag fünfzig Meter hinter seinem Schwanz.
»Unsere Männer gratulieren, weil Sie so schön tief und langsam geflogen sind, 106.«
Leutnant Schawrow bebte vor Zorn, als er die Viertausend-Meter-Marke passierte und noch immer etwa achttausend Meter von dem amerikanischen AWACS entfernt war. Die US-Jäger mussten sich im Dunst hinter ihm versteckt haben und von der Sentry auf ihn eingewiesen worden sein. Er fluchte und behielt seinen Kurs bei. Diesem verdammten AWACS würde er es zeigen!
»106, bitte abdrehen.« Die Stimme war kühl und emotionslos, doch vielleicht eine Spur ironisch. »106, wenn Sie nicht abdrehen, müssen wir Ihre Mission als feindselig betrachten. Bedenken Sie das bitte, 106.«
Schawrow schaute nach rechts. Die F-15 drehte ab, ebenso die zu seiner Linken. War das eine freundliche Geste, erwartete man nun, dass er sich revanchierte? Oder machten sie nur Platz, damit die Maschine hinter ihm – er vergewisserte sich, dass sie noch da war – feuern konnte? Noch eine Minute, dann war er im Feuerbereich. Schawrow war kein Feigling, aber auch kein Narr. Er zog seinen Jäger einige Grad nach rechts.
»Schönen Dank, 106«, sagte die Stimme. »Wir haben nämlich ein paar Operatoren an Bord, die noch in der Ausbildung sind, darunter zwei Frauen, die wir nicht gleich auf dem ersten Flug erschrecken wollen.« Plötzlich wurde es Schawrow zu viel. Er drückte auf den Radioknopf am Steuerknüppel.
»Soll ich Ihnen mal sagen, was Sie mit Ihren Weibern anfangen können, Yankee?«
»106, Sie sind nekulturnij«, erwiderte die Stimme leise. »Der lange Anflug übers Wasser hat Sie vielleicht nervös gemacht. Außerdem muss Ihnen bald der Treibstoff ausgehen. Ekliger Tag zum Fliegen bei diesem andauernd umschlagenden Wind. Soll ich Ihnen mal Ihre Position geben? Over.«
»Negativ, Yankee!«
»Ihr Kurs zurück zur Kiew ist genau eins-acht-fünf. So hoch im Norden kann man nämlich einem Magnetkompass nicht ganz trauen. Ihre Entfernung zur Kiew beträgt 318,6 Meilen. Achtung – von Südwesten zieht rasch eine Kaltfront heran. In ein paar Stunden wird es in der Luft recht ungemütlich. Brauchen Sie eine Eskorte zurück zur Kiew ?«
»Arschloch!«, zischte Schawrow, stellte das Radio ab und machte sich Vorwürfe wegen Mangels an Disziplin. Er hatte sich von dem Amerikaner in seinem Stolz treffen lassen.
»106, wir haben Ihren letzten Spruch nicht verstanden. Zwei meiner Eagles werden Sie heimbegleiten. Schönen Tag, Genosse. Sentry November. Out.«
Der amerikanische Leutnant sah seinen Colonel an. »Beinahe wäre ich herausgeplatzt!«, sagte er und trank einen Schluck Coke aus einem Plastikbecher. »Der hat sich wahrhaftig eingebildet, er könnte sich unbemerkt an uns heranmachen.«
»Falls es Ihnen entgangen sein sollte«, grollte der Colonel, »noch eine Meile, und wir wären in Reichweite seiner Atoll-Raketen gewesen. Und schießen dürfen wir erst, wenn er eine auf uns losgelassen hat – das könnte uns den Tag verderben. Sie haben ihn aber fein gestriezt, Lieutenant.«
»War mir ein Vergnügen, Sir.« Der Operator schaute auf seinen Schirm. »Na also, er fliegt heim zu Muttern und hat Cobra 3 und 4 auf sechs. Der wird ganz schön sauer sein, wenn er heimkommt – falls überhaupt. Trotz Flügeltanks muss er mit seinem Treibstoff ziemlich bald am Ende sein.« Er dachte kurz nach. »Colonel, warum schnappen wir uns nicht einfach den Piloten, wenn sie das noch einmal versuchen?«
»Wozu brauchen wir eine Forger? Gut, die Navy wird wohl gerne mit einem spielen, weil sie nicht soviel russisches Gerät bekommt. Aber die Forger ist nur ein Haufen Schrott.«
Schawrow war versucht, seine Triebwerke auf Höchstleistung zu bringen, beherrschte sich aber. Er hatte schon genug Schwächen gezeigt. Außerdem kam seine YAK nur im Sturzflug über Mach 1 hinaus. Die Eagles schafften das im Steigflug und hatten mehr als genug Treibstoff. Er sah, dass sie beide FAST-Pack-Tanks trugen, mit denen sie ganze Ozeane überqueren konnten.
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