Jagd auf Roter Oktober
getroffen hatte, um eine solche Infamie zu verhindern.«
In Narmonows Stimme schwang keine Furcht mit, aber Padorin wusste, was der Mann empfand. Die Verantwortung für die »unglaubliche Fehlentscheidung« mochte dem Generalsekretär von Mitgliedern des Politbüros, die einen anderen an seiner Stelle sehen wollten, zugeschoben werden – es sei denn, es gelang ihm, sich davon zu distanzieren. Das wiederum konnte Padorin den Kopf kosten.
Padorin hatte sich seit Tagen auf diese Sitzung vorbereitet. Der Körper des Stalingradkämpfers mochte schwach geworden sein, aber sein Verstand war noch scharf. Padorin war entschlossen, sich seinem Schicksal mit Würde zu stellen. »Genosse Generalsekretär«, begann er, »der Politoffizier an Bord von Roter Oktober war Kapitän Iwan Jurijewitsch Putin, ein gutes und treues Parteimitglied. Ich kann mir nicht vorstellen –«
»Genosse Padorin«, unterbrach Verteidigungsminister Bulgakow, »es steht wohl außer Zweifel, dass Sie sich den unglaublichen Verrat dieses Ramius nicht vorstellen konnten. Erwarten Sie etwa, dass wir nun Ihrem Urteil über Putin glauben?«
»Und am beunruhigendsten ist die Toleranz, die man diesem Abtrünnigen bei der politischen Hauptverwaltung entgegengebracht hat«, fügte Michail Alexandrow, der Parteiideologe, hinzu. »Angesichts des Personenkults, den er ganz unverhohlen um sich errichtete, finde ich das höchst erstaunlich. Die schon fast kriminelle Bereitwilligkeit, mit der Sie über diese offene Abweichung von der Parteilinie hinweggesehen haben, weckt Zweifel an Ihrem Urteilsvermögen.«
»Genossen, ich muss gestehen, einen schweren Irrtum begangen zu haben, als ich Ramius’ Ernennung zum Kommandanten billigte und ihm gestattete, sich die meisten hohen Offiziere für Roter Oktober selbst auszusuchen. Andererseits aber wurde schon vor Jahren beschlossen, dies so zu halten, Offiziere über Jahre hinweg auf demselben Schiff dienen zu lassen und dem Kapitän weit reichenden Einfluss auf ihre Karrieren zu gewähren. Dies ist eine Frage der Einsatzbereitschaft, nicht der Politik.«
»Das haben wir bereits erörtert«, versetzte Narmonow. »Es trifft die Schuld an diesem Skandal wohl nicht nur einen Mann.« Gorschkow rührte sich nicht, aber der Wink war klar: der Versuch, seine Mitschuld abzuwälzen, war gescheitert.
»Genosse Generalsekretär«, wandte Gorschkow ein, »wenn unsere Marine erfolgreich –«
»Erfolgreich?«, fragte Alexandrow. »Dieser Litauer hält mit seinen Offizieren erfolgreich unsere gesamte Flotte zum Narren, während unsere restlichen Schiffe ziellos herumirren wie frisch kastrierte Bullen.«
»Die nahe liegendste Erklärung ist, dass Putin ermordet wurde«, fuhr Padorin fort. »Er war der einzige Offizier mit Familie.«
»Ein weiterer Punkt, Admiral«, griff Narmonow das Thema auf. »Wie kommt es, dass alle diese Männer unverheiratet sind? Fiel Ihnen das denn nicht auf? Muss denn das Politbüro alles beaufsichtigen? Können Sie denn nicht selbständig denken?«
Als ob das erwartet würde, dachte Padorin. »Genosse Generalsekretär, die meisten unserer U-Boot-Kommandanten ziehen junge, ledige Offiziere vor. Der Dienst auf See ist hart und Ledige sind weniger Ablenkungen ausgesetzt. Außerdem ist jeder hohe Offizier an Bord Parteimitglied. Mit gutem Leumund. Es lässt sich nicht abstreiten, dass Ramius Hochverrat begangen hat, aber er muss mehr gute Männer, als in diesem Raum sitzen, hinters Licht geführt haben.«
»Wohl wahr«, bemerkte Alexandrow. »Und wie kommen wir aus diesem Schlamassel heraus?«
Padorin holte tief Luft. Auf diesen Augenblick hatte er gewartet. »Genossen, wir haben einen weiteren Mann an Bord von Roter Oktober. Weder Ramius noch Putin wissen, dass er ein Agent der politischen Hauptverwaltung ist.«
»Was?«, rief Gorschkow. »Warum habe ich davon nichts erfahren?«
»Die erste kluge Entscheidung, von der ich heute höre«, meinte Alexandrow lächelnd. »Sprechen Sie weiter.«
»Der Betreffende ist als Mannschaftsgrad getarnt und berichtet unter Umgehung aller Dienstwege direkt an unser Büro. Er heißt Igor Loginow und ist vierundzwanzig, ein –«
»Vierundzwanzig!«, brüllte Narmonow. »Sie betrauen ein halbes Kind mit einer solchen Aufgabe?«
»Genosse, es ist Loginows Auftrag, sich unter die Mannschaft zu mischen, ihren Gesprächen zu lauschen, mögliche Verräter, Spione und Saboteure zu identifizieren. In Wirklichkeit sieht er sogar noch jünger als vierundzwanzig aus. Da er
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