Jagd auf Roter Oktober
Zum Teufel mit den Amerikanern und ihrer Arroganz! Zum Teufel mit seinem Offizier vom Nachrichtendienst, der ihm weisgemacht hatte, er könne sich an die Sentry heranschleichen! Sollten sie doch mit Luftkampfraketen bestückte Backfire-Bomber auf diesen überzüchteten Kasten loslassen. Die würden zur Stelle sein, ehe die Jäger reagieren konnten.
Fünf Minuten später landete er auf der Kiew, noch immer blass vor Wut. Sowie die Keile vor die Räder gelegt worden waren, sprang er aufs Deck und stürmte zum Kommandanten seiner Staffel.
Kreml
Moskaus U-Bahn-System war zu Recht berühmt. Für ein Almosen brachte einen das moderne, sichere, prunkvoll ausgestattete System fast an jede Stelle der Stadt. Und im Kriegsfall dienten die Tunnel den Bürgern von Moskau als Luftschutzräume. Diese Idee stammte von Nikita Chruschtschow, der Stalin bei Baubeginn in den dreißiger Jahren vorgeschlagen hatte, das Schienennetz tief zu verlegen. Chruschtschow war seiner Zeit weit voraus gewesen; Kernwaffen existierten damals nur in der Theorie, und an Kernverschmelzung oder gar Wasserstoffbomben dachte kaum jemand.
An einer Nebenstrecke der Linie, die den Swerdlow-Platz mit dem alten Flughafen verbindet und in der Nähe des Kremls verläuft, war ein Tunnel vorgetrieben und dann mit einer zehn Meter starken Wand aus Stahl und Beton versiegelt worden. Den hundert Meter langen Tunnelabschnitt hatte man durch zwei Aufzugschächte mit dem Kreml verbunden und im Lauf der Zeit zu einer Kommandozentrale für den Notfall ausgebaut, von der aus das Politbüro im Krisenfall das sowjetische Imperium regieren konnte. Durch den Tunnel erreichte man auch ungesehen einen kleinen Flugplatz, von dem aus die Mitglieder des Politbüros zu ihrer letzten Redoute tief unter dem Granitberg bei Schiguli geflogen werden konnten. Die Existenz dieser beiden Kommandoposten war im Westen kein Geheimnis – dazu existierten sie schon zu lange –, aber das KGB meldete zuversichtlich, keine Waffe aus den westlichen Arsenalen könne die dicken Felsschichten durchschlagen.
Für Admiral Jurij Iljitsch Padorin war dies im Augenblick nur ein schwacher Trost. Er saß am Ende eines zehn Meter langen Konferenztisches und war schutzlos den grimmen Blicken von zehn Männern ausgesetzt – den Mitgliedern des Politbüros, die allein über das Schicksal seines Landes entschieden. Links von ihm saß weiter oben am Tisch Admiral Sergej Gorschkow, der sich geschickt von der Angelegenheit distanziert und sogar einen Brief vorgelegt hatte, in dem er von der Ernennung Ramius’ zum Kommandanten von Roter Oktober abriet. Padorin hatte als Chef der politischen Hauptverwaltung mit Erfolg die Versetzung von Ramius verhindert und darauf hingewiesen, dass Gorschkows Kandidat für Roter Oktober gelegentlich mit seinem Parteibeitrag im Rückstand war und sich bei politischen Versammlungen nicht oft genug zu Wort meldete. In Wirklichkeit war Gorschkows Kandidat ein weniger fähiger Offizier als Ramius, den er gerne in seinem Stab gehabt hätte.
Andrej Narmonow, Generalsekretär der KPdSU und Präsident der Sowjetunion, fasste Padorin ins Auge. Seine Miene gab, wie es seine Art war, nichts preis. Narmonow war ein typischer Apparatschik, der zuerst als Fabrikdirektor von sich reden gemacht hatte – ein Mann, der sein Soll vorzeitig erfüllte. Er war stetig aufgestiegen und hatte sich seine eigenen Talente und die anderer zunutze gemacht, hatte jene, die zählten, belohnt und den Rest ignoriert. Gefestigt war seine Position als Generalsekretär der Partei nicht; sie hing noch immer von der Zustimmung seiner Kollegen im Politbüro ab.
Narmonows dunkle Augen waren vom Zigarettenqualm gerötet. Die Entlüftungsanlage in diesem Raum hatte nie richtig funktioniert. Der Generalsekretär sah Padorin vom anderen Ende des Tisches aus verkniffen an und legte sich eine Erklärung zurecht, die diese zehn alten, leidenschaftslosen Männer zufrieden stellte.
»Genosse Admiral«, begann er kalt, »wir haben vom Genossen Gorschkow gehört, welche Chancen bestehen, dieses U-Boot zu finden und zu zerstören, bevor seine Offiziere dieses unvorstellbare Verbrechen begehen können. Wir sind alles andere als zufrieden. Und unzufrieden sind wir auch mit der unglaublichen Fehlentscheidung, diesem Verräter das Kommando auf unserem wertvollsten Schiff zu geben. Von Ihnen, Genosse, würde ich gerne wissen, was aus dem Politoffizier an Bord geworden ist, und welche Sicherheitsmaßnahmen Ihre Stelle
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