Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
erklärte, dass Ted das Service als Hochzeitsgeschenk für ihn und Rose eigens hatte anfertigen lassen.
Marty hätte sich in den Hintern beißen können, dass er das Abendessen nicht gleich mitgekocht hatte, während der Kuchen im Ofen war. Es war ihm absolut schleierhaft, wie eine solche Kochniete wie Theo an den stellvertretenden Küchenchef-Job rangekommen war.
TH, offenbar erschöpft von der rasanten Quad-Fahrt mit Bo, ließ aus einer von Wolfes geräumigen Hosentaschen eindeutige Schlafgeräusche vernehmen. Und Bo war nicht zur Party geladen worden – zu Luthers großer Erleichterung. Nachdem die Schimpansin und ihre teetassengroße Komplizin den Delfinen ihren Fisch weggeklaut hatten, hatte Yvonne Bo endlich zu fassen gekriegt und überredet sich in ihr gemütliches Gehege zurückzuziehen. Zur Belohnung hatte sie ihr eine karottenfarbene Haarsträhne von Luther mitgegeben, dem es allemal lieber gewesen war, die Strähne von Yvonne abgeschnitten als von Bo rausgerissen zu bekommen.
Grace störte sich nicht daran, dass die Geburtstagsrunde so klein und das Essen so schlecht war. Sie freute sich, dass sie mit den Menschen zusammen war, die sie gernhatte, einschließlich Luther, der schon seit Ewigkeiten so etwas wie ein zweiter Bruder für sie war.
Nachdem Grace die dreizehn Kerzen ausgeblasen und die gesamte Tischgesellschaft ein Stück von Martys köstlicher Geburtstagstorte gekostet hatte, präsentierte Luther noch einmal seinen Comic. Wolfe war hellauf begeistert und sprach von einem Meisterwerk – ein zweifellos übertriebenes Kompliment, das Luther aber trotzdem vor Freude erröten ließ.
Mit einem Geschenk von Wolfe rechnete Grace nicht. Ihr Vater war in den vergangenen Tagen so beschäftigt gewesen und sie waren so überstürzt aufgebrochen, dass er, so vermutete sie, wahrscheinlich nicht eine Sekunde an ihren Geburtstag gedacht, geschweige denn etwas besorgt hatte. Umso überraschter war sie, als Wolfe ein großes Paket vor sie auf den Tisch stellte.
»Ich hatte leider keine Gelegenheit mehr, zum Festland zu fliegen und etwas für dich zu kaufen«, entschuldigte er sich. »Dafür ist das hier ein einzigartiges Geschenk, sozusagen ein Unikat. Es hat Rose gehört, deiner Mutter. Es war ihr wertvollster Besitz. Sie hätte ganz sicher gewollt, dass du es bekommst.«
Vorsichtig wickelte Grace das Paket aus. Sie ahnte bereits, was sich unter dem Geschenkpapier verbarg: das alte Manuskript, das in der Glasvitrine der Bibliothek auf Cryptos gelegen hatte. Ehrfürchtig öffnete sie den schweren Ledereinband.
»Wow, das ist ja ein richtiger Comic!«, staunte Luther.
»Das ist ein handgeschriebenes Manuskript mit uralten Illustrationen«, korrigierte Grace. »Geschrieben und gezeichnet, lange bevor es Druckerpressen oder Computer gab.«
Luther beugte sich vor, um besser sehen zu können. Die Abbildung des Drachen, die Grace aufgeschlagen hatte, war extrem fein und genau, einfach prachtvoll. Er betrachtete den Text. »Was ist das für eine Sprache?«
»Keine Ahnung«, sagte Grace. Auf jeden Fall war es keine der fünf Sprachen, die sie beherrschte.
»Rose wusste es auch nicht«, erklärte Wolfe. »Sie hat jahrelang versucht den Text zu entschlüsseln. Das Einzige, was wir herausgefunden haben, ist, dass es ein Buch über Kryptiden ist. Wahrscheinlich sogar das erste Buch über Kryptiden, das je geschrieben wurde. Rose hatte den Verdacht, dass der Text gar nicht in einer unbekannten Sprache verfasst, sondern einfach nur verschlüsselt ist. Daraufhin hat sie sich eine Kopie des Manuskripts anfertigen lassen und die Reproduktion mit in den Kongo genommen. Dort hat sie stundenlang über dem Text gebrütet und versucht den Code zu knacken.«
Grace blätterte zur nächsten Seite um, wo ein Monster mit langen Tentakeln zu sehen war, das ein Segelschiff mit sich in die Tiefe zog.
»Wow, ein Riesenkrake«, sagte Luther.
»Jedenfalls ein Krake, wie ihn sich der Autor und Illustrator vorgestellt hat«, präzisierte Wolfe. »Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass er all die beschriebenen und abgebildeten Kreaturen mit eigenen Augen gesehen hat.«
»Wo hat meine Mutter das her?«, fragte Grace.
Wolfe schüttelte den Kopf. »Das wollte sie mir nicht verraten. Ich vermute, dass es aus dem Besitz der Familie Blackwood stammt.«
»Hat sie es gestohlen?«, fragte Marty.
»Das glaube ich nicht«, antwortete Wolfe. »Aber wie auch immer: Ich wollte es unter keinen Umständen auf Cryptos zurücklassen – für
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