Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
sprechen?«
Yvonne reichte Luther das Funkgerät.
»Schönen Dank, dass du mich als Schimpansenköder benutzt hast«, sagte Luther. »Das war vielleicht ’ne Hetzjagd!«
»Tut mir leid«, erwiderte Marty, obwohl sich sein Mitleid in Grenzen hielt. »Kannst du bitte die Tür öffnen, damit die Libelle rauskann? Ich möchte sie auf Erkundungsflug durch das Schiff schicken.«
»Ich sollte sie hier drinnen eingesperrt halten, bis ihr der Saft ausgeht und sie in den Pool stürzt«, sagte Luther. »Dann kannst du dir überlegen, wie du Wolfe und Ted den Verlust eines millionenteuren Insekts beibringst.«
»Wenn’s dich amüsiert«, meinte Marty. »So, und jetzt öffne doch bitte endlich die Tür, damit ich mich umsehen kann.«
»Setz doch einfach deinen Hintern in Bewegung, wenn du dich umsehen willst«, sagte Luther, ging aber trotzdem zur Tür. »Von innen sieht das Schiff übrigens deutlich besser aus als von außen. Obwohl, so genau hab ich’s nun auch wieder nicht gesehen, bei dem Tempo, mit dem ich hier durchgeheizt bin … und der Panik, die mir im Nacken saß.«
Marty wollte nicht zugeben, dass er es nicht schaffte, seinen Hintern in Bewegung zu setzen – weil ihm sein Hintern nämlich auf Grundeis ging beim bloßen Gedanken an das Schiffsinnere. »Was treibst du eigentlich dort unten beim Moonpool?«, fragte er. »Und was ist dieser Moonpool überhaupt?«
Luther wiederholte, was Yvonne ihm erklärt hatte.
»Oh«, sagte Marty, der nur die Hälfte von Luthers Ausführungen verstanden hatte.
»Wir schlüpfen gleich in Neoprenanzüge und schwimmen mit den Delfinen«, verkündete Luther. »Wobei ich ganz sicher nicht so ausrasten werde wie du bei deinem letzten Schwimmabenteuer. Yvonne ist toll. Sie ist Wolfes Delfintrainerin.«
Aber Marty hörte schon nicht mehr zu. Er steuerte die Libelle bereits durch die zwei Türen der Luftschleuse hinaus auf den Gang.
Ein Blick auf die Energieanzeige sagte ihm, dass noch etwa fünfundvierzig Minuten Flugzeit übrig blieben, bevor er den kleinen Brummer zurückholen und im Ladefach des Gizmos oder in der Nähe einer künstlichen Lichtquelle aufladen musste.
Also ließ er das Flugobjekt durch Gänge und Maschinenräume und schließlich nach oben auf die Kommandobrücke schnurren, wo Wolfe neben einem knorrigen alten Mann stand, der einen sorgfältig gestutzten Bart hatte und eine weiße Mähne, die unter seiner Kapitänsmütze hervorquoll. Dem Gizmo zufolge hieß er Cap, und er wirkte so betagt, als sei er schon zu Zeiten der »Titanic« über die Weltmeere geschippert.
Auf dem Deck unterhalb der Brücke befand sich eine große Bibliothek, ähnlich der auf Cryptos, nur ohne offe- nen Kamin, ohne Aquarien und ohne gespanntes Hochseil. Neben der Bibliothek lagen einige Labors, deren Türen allerdings geschlossen waren, so dass Marty die Libelle nicht hineinsteuern konnte. Dafür sah er Alf Ikes den Gang hinunterstolzieren, natürlich ganz korrekt in Anzug und Weste, und er beschloss ihm zu folgen. Am Ende des Ganges schob Alf eine Plastikkarte in ein elektronisches Türschloss, woraufhin die Tür aufglitt. Ganz knapp gelang es Marty, die Libelle hinter dem Sicherheitschef in den Raum zu manövrieren. Joe, alias Eierkopf 2, hockte vor einer Wand aus Überwachungsmonitoren, von denen einer Marty zeigte, wie er an Deck stand und die Libelle steuerte. Private Schlafkabinen sah Marty zwar nicht auf den Bildschirmen, aber es hätte ihn nicht gewundert, wenn Alf auch dort Kameras installiert hätte.
Alf blieb stehen und starrte auf die Monitorwand, während Marty schnell ein paar Anpassungen am Steuerungssystem der Libelle vornahm, mit Erfolg: Er wurde mit einer klaren, störungsfreien Akustik belohnt. »Bleib wachsam, Joe«, mahnte Alf gerade. »Wenn dir irgendetwas Ungewöhnliches auffällt, funk mich umgehend auf der sicheren Frequenz an.«
Yes! , dachte Marty. Jetzt konnte er nicht mehr nur beobachten, sondern auch belauschen. Alf, Wolfe und die Sicherheitskräfte hatten offenbar andere Funkgeräte als der Rest der Crew. Wahrscheinlich stammten sie aus Beständen des Militärs und waren verschlüsselt, so dass niemand die Gespräche abhören konnte.
Jetzt verließ Alf den Überwachungsraum wieder. Blitzschnell sirrte die Libelle hinter ihm durch die Tür und setzte anschließend ihren Aufklärungsflug fort.
Die Schlafkabinen befanden sich auf dem Deck unterhalb der Labors. Sie sahen gemütlich aus. Tatsächlich wirkte das gesamte Schiffsinnere so, als sei es
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