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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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sondern glichen eher deren Karikaturen. Ihre Glieder waren auf groteske Weise verkürzt; sie waren nur wenig mehr als Stummel, die aus den Körpern ragten, und auch die Köpfe waren winzig. Nur die Rümpfe schienen Festigkeit und Gewicht zu haben. Indem er sie betrachtete, stellte er fest, daß sie dicken Holzbrettern, die mit knorrigen Auswüchsen an den Kanten herumhumpelten, mehr als allem anderen glichen. Entweder hatten sie eine gesprenkelte Haut, die dem Aussehen eines seltenen, vielleicht sogar einzigartigen Leidens nahe kam, oder sie trugen eine besondere Kleidung. Wie dem auch war, ihre Farbe jedenfalls glich der von Kotze … es gab keine andere Möglichkeit, diese vielfarbigen Fasern zu charakterisieren, die ungeordnet durcheinanderliefen und gelegentlich Kleckse oder Ranken bildeten.
    Die ganze Zeit über trugen die Wesen etwas in ihren »Händen«; möglich, daß es Puppen waren, wie die ei ne, die sie nach ihm geworfen hatten. Es konnte aber auch sein, daß es was war, das man für Notizbücher hätte halten können. Wenn sie nichts in den Händen hielten, liefen sie herum und umklammerten einander. Sie stellten nicht gerade das dar, nach dem sich Rogers am meisten sehnte. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er sogar das Gefühl, daß er im Notfall sogar recht gut oh ne sie auskommen konnte.
    Nichtsdestoweniger ging es nicht an, daß er gegen ihre Anwesenheit protestierte, denn letzten Endes gehörte er ja überhaupt nicht hierher. Man hatte ihn hier abgesetzt ( Wie? Wer? Wann? Aus welchem Grund?), um eine gewisse Zeitspanne abzuwarten, bis etwas In teressantes geschah. Er hatte auf diesem Terrain weni ge Rechte. Für ihn war es nichts weiter als eine Abnormitätenschau. Dennoch, es war wirklich so, als ob ein Haufen verfluchter Touristen (und das war es, wonach er gesucht hatte, plötzlich kam er darauf: Sie waren Touristen ) die ganze Zeit hier herumschlenderte, um ihn und den Ort, an dem er sich befand, zu studieren, und ihm das einzige nahm, was ihn bislang aufrecht gehalten hatte: die Würde seiner Lage. Es gab keine verdammte Isolation mehr, keine private Sphäre. Wie konnte von einem Mann erwartet werden, daß man ihn verehrte, wenn er die ganze Zeit prüfenden Blicken ausgesetzt war? Er war schließlich kein Schauspieler.
    So kam Rogers zu der Überzeugung, daß er ihnen die Genugtuung nicht geben würde; er würde es ganz anders anpacken. Er würde aufhören, sich selbst den Seligen zu nennen, und er würde aufhören, seiner Anwesenheit auf dieser Sonne religiöse Bedeutung beizumessen. Das war ganz und gar eine Privatangelegenheit. Er würde ab jetzt nur noch hier herumhängen und sich so uninteressant wie möglich geben. Viel leicht würden sie dann seiner überdrüssig und die gan ze Situation löste sich in Wohlgefallen auf. Andererseits war es natürlich möglich, daß alles ganz anders kommen würde. Es gab einfach keinen Weg, die Situation richtig einzuschätzen, obgleich Rogers sich etwas besser fühlte, als er aufhörte, sich selbst als Märtyrer und seinen Zustand als wichtig zu betrachten. So war es eben doch nur eine Frage des Verhaltens. Vielleicht hatte er nur eine Art Kulturschock erlitten.
    Es war kurz nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte, alle Ekstase, alle Bedeutung fallenzulassen, die das erste Wesen ihm zugesprochen hatte. Es schlich sich heran, nur eines von ihnen, das sich von der Gruppe, die in einem Kreis herumstand, entfernt hatte, und nun der Stelle, an der Rogers lag, ziemlich nahe kam. Es winkte müßig und hatte wegen des Bauschutts einige Mühe, auf seinen kurzen, plumpen Beinen stehenzubleiben. Aus der Nähe sah Rogers, daß die Dinger wirklich halb so schlimm aussahen, wie er gedacht hatte. Sie sahen verbaut aus (was schließlich nicht ihre Schuld war; warum es ihnen also übelnehmen?), die Gesichtszüge wirkten sonderbarerweise erfreulich vertraut. Das Gesicht des Wesens hatte die Färbung eines halbgegessenen Apfels, und es hatte die Offenheit und Freimütigkeit von Gesichtern, von de nen sich Rogers vorstellte, daß sie in beiläufigen Episoden auftreten. Das Wesen schien ergreifenderweise zu tanzen, als es sich bis auf wenige Meter der Stelle näherte, an der er sich befand. Es starrte ihn an, dann stieß es etwas, das es in der Hand hielt, vor.
    »Was zu essen?« fragte es.
    Das Dargebotene schien einer Backpflaume nicht unähnlich, obwohl die Schale eine grünliche Färbung aufwies und keine Runzeln hatte; es war jedoch keine Traube, das war sicher.

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