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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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Nuttenmanier geschmollt, ihre Augen waren dunkel gewesen, und sie hatte die Hände zitternd gegen die Brust gedrückt. Dann hatte er die Pistole aus der Manteltasche gezogen. Es wäre so leicht gewesen, so leicht; ein echtes Vergnügen, sie mit einem einzigen Schuß niederzustrecken und sie kreischend die Treppe hinunterfallen zu sehen. Jeder Schrei ein wahrer Ohrenschmaus für ihn …
    Aber er hatte sich umgedreht und war abgehauen. Er hatte es nicht getan. Es war genauso, wie die Wächter gesagt hatten: Eine Zeit würde kommen, wo sie nicht mehr dazu fähig war, wegzurennen – und dann würde er sie erwischen. Aber diesmal war es noch nicht an der Zeit gewesen, nicht dieses Mal, und er hatte sie laufen lassen, hatte gehört, wie das Rumpeln der sich nähernden U-Bahn ihre Schreie erstickte. Das zweite Mal hätte er sie fast in einer Spielhalle auf der 42nd Street erwischt. Von all diesen verdammten Orten hatte sie sich ausgerechnet diesen hier als Versteck ausgesucht. Sie hatte an einem Flipper gespielt. Damals hatte er seit drei Tagen ihre Fährte verloren gehabt, und war zu dem Schluß gekommen, daß sie vielleicht die Stadt verlassen hatte. Aber dann – gerade als er die Spielhal le betreten hatte, um selbst ein Spielchen zu wagen – hat te sie vor ihm gestanden, mit ihren verdammten weißen Fingern an den Flipperknöpfen, einem Aschenbecher voller Kippen und schwelenden Zigaretten neben sich.
    Es wäre wunderschön gewesen, sie inmitten dieser verqualmten Bude zu erschießen: vom ästhetischen Standpunkt aus gesehen, hätte es keinen besseren Ort geben können, um sie umzublasen. Aber wieder einmal hatte sie ihn gesehen und wieder hatte sie jenen Schrei ausgestoßen, der ihn von seinem Vorhaben abhielt.
    Sie wollte zu gern leben. Sie wollte abhauen. So hatte er sie eben laufen lassen. Er hatte seine Hand von der Pistole, die er in der Manteltasche hatte, genommen und sich eine Zigarette angesteckt, war auf einen Hocker geklettert um selbst ein Spiel zu machen. Die Hure hatte sich schnell aufgerafft, ihren Mantel übergeworfen und war gerannt.
    Aber diesmal war es anders. Diesmal war es das dritte Mal. Ei würde sie auf Gedeih und Verderb umbringen und der Sache ein Ende bereiten. Was danach geschehen würde, wußte er nicht – er kernte sich nicht vorstellen, welche Aufträge sie sonst noch für ihn hatten –, aber er hatte das Spiel, die Jagd und überhaupt alles zum Kotzen über.
    Er mußte sie in eine Bar treiben, dann hineingehen und ihr sagen, daß sie zehn Minuten hatte, um abzuhauen und sich einen Vorsprung zu verschaffen. Wenn sie losrannte, dann würde er ihr dreißig Sekunden ge ben um die Bar zu verlassen, dann würde er sie umlegen. Er würde sie geradewegs auf der verdammten Straße liegen lassen, und wenn die Wächter kamen, um ihn abzuholen (er war sicher, daß sie das taten), würde er ihnen erklären, daß sie es gewollt hatte, es wirklich gewollt hatte; daß sie diesen Ausdruck im Gesicht gehabt hatte. Diese Fotze!
    Worin lag überhaupt der Sinn, sie jedesmal entkommen zu lassen? Man erwartete von ihm, daß er sie daran hinderte, jemanden zu treffen. Das war die vorgegebene Lage. Aber sie hielt nach niemandem Ausschau. Sie hatte überhaupt kein Ziel!
    Sie trieb sich lediglich in der ganzen Stadt herum – genau wie er – und schneite in Hotels, Kinos und Bowlingbahnen hinein, um sich die Zeit zu vertreiben. Sie hatte keine erkennbaren Absichten. Sie war genauso gelangweilt und von der Situation angewidert wie er: Und sie hatte außerdem Angst (er hatte überhaupt keine Angst), so daß ihre Qual größer war als die seine. Das hieß, daß ihre Ermordung nichts als ein Gnadenakt sein würde. Er hatte sich alles genau ausgerechnet; er konnte in keiner Hinsicht verlieren.
    Während den sechs Tagen und Nächten der Jagd hatte er nicht geschlafen, keine Minute, weil es unmöglich vorauszusehen war, wo sie sich aufhalten konnte oder was in ihrem Schädel vor sich ging. Von ihr nahm er dasselbe an. Seit dem Augenblick, wo er sie zum erstenmal gesehen und sie, in diesem Moment des Zusammentreffens, gespürt hatte, wer er war, hatte es keinen Augenblick der Ruhe mehr gegeben. Nach ihrer zufälligen Begegnung, dem Zusammentreffen ihres Schocks und ihrer Flucht, hatte es überhaupt keinen Frieden mehr gegeben. Nun, es war an der Zeit, endlich eine Lösung zu finden. Es wurde höchste Zeit, daß sie es hinter sich brachten.
    Es war jetzt immerhin alles in Ordnung. Es war gut. Nach alldem würde es

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