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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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Schultern, öffnete er die Tür der Bar und trat ein, dabei immer wieder murmelnd: Ich werde es tun. Ich werde es tun. Es muß in allem einmal ein Ende geben, und diesmal, diesmal …
    Die Hure war über die Theke gebeugt, abgestützt mit beiden Armen und umklammerte ein Glas. Er konnte die weiche Haut ihres Nackens und das Zittern ihrer Waden sehen, als sie die Beine übereinanderschlug und den Kopf wandte, von einer Seite zur anderen sah und ihn dennoch nicht bemerkte. Aber die Art, wie sie auf dem Barhocker saß, die Art, wie sie sich auf etwas Unsichtbares einzustellen schien, ließ James vermuten, daß sie wußte, daß er hier war.
    Der Barmixer – ein kleiner Mann – saß ebenfalls auf einem Hocker, unten, am Rand der Theke. Er hielt die Hände zusammengepreßt und die Augen auf den Fußboden gerichtet.
    Noch einer von ihnen, dachte James; sie sparen Betriebskosten, indem sie sie nur einsetzen, wenn sie gerade auf der Bühne eine Rolle zu spielen haben. Dieser Gedanke veranlaßte ihn, schrill zu kichern, und dabei sah er, wie die Frau zitterte und langsam auf seine Anwesenheit reagierte. Aber sie drehte sich nicht um; er schaffte es nicht, sie zum Umdrehen zu bewegen.
    Er ging ganz nahe an sie heran und näherte seinen Mund ihrem Ohr. Er berührte sie fast, genoß den geringen Abstand, der zwischen ihnen verblieb. »Hallo, Della«, sagte er. Das war ihr Name; sie hieß Della.
    Die Frau bewegte sich nicht. Ihre Finger klammerten sich ignorant um ihren Drink, und er stand verblüfft da und dachte: Ich könnte sie berühren; jetzt könnte ich sie berühren. Er war schockiert von dem plötzlichen Gefühlsumschwung, der sich seiner bemächtigte und der ihn, als er vorüber war, seltsamerweise erfrischt und emporgehoben zurückließ. Er war in der Lage, diese Situation zu kontrollieren. Diesmal. Für immer.
    »Ich hätte dich beinahe verfehlt«, sagte er.
    »Hätte nicht gedacht, daß du dich an einem Ort, der so offensichtlich ist wie dieser, verkriechen würdest. Du warst nachts sehr leichtfüßig, Baby. Du bist ganz schön schnell.«
    Sie sagte immer noch nichts, hob statt dessen das Glas an die Lippen und trank langsam. Er fühlte, wie die Wut in ihm hochstieg. Es gab keine Möglichkeit, dieser Hure näher zu kommen; er konnte nichts ande res tun als sie töten. Damit kam das Zittern und Schütteln zurück, das geeignet war, ihn von seinen Absichten abzulenken. Im ganzen Raum existierte nur das Ge räusch seiner Stimme; stupide, vertraut, allgegenwär tig, das ihm die Rückversicherung gab, daß er für sie im mer noch da war, daß er die Situation beherrschte.
    Er fragte spöttisch, ob sie nervös sei und ob sie zu der Sorte von Alkoholikerhuren gehöre, wie er sie kenne.
    Dann sagte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend: »Komm schon, rennen wir weiter. Schließlich ist es an der Zeit, daß wir unsere kleine Verfolgungsjagd wieder aufnehmen.«
    Das war es: Er würde sie von dem Hocker herunterscheuchen, sie in Sicherheit wiegend durch die Türe schicken. Und dann würde er sie abknallen. Sie auf der Flucht erschießen. So mußte man denen beikommen. Dann drehte sie sich um, drehte sich um, um ihn anzusehen. Er sah ihr Gesicht zum ersten Mal aus nächster Nähe. Sicher, sie hatten sich schon früher gegenübergestanden und dabei einige Blicke gewechselt, aber dies war das erste Mal, daß er die Gelegenheit hatte, sie sich gründlich anzusehen. Er tat es. Er sah das Gesicht, das einst schön gewesen war und nun bloß darauf eingestellt schien, die verflossene Schönheit wieder in Erinnerung zu bringen: die verbissenen Lippen, die dunklen Augen (jetzt unsagbaren Verlust ausdrückend), das leicht zitternde Kinn, als sie ihn ansah und bemerk te, was er mit der Pistole in seiner Tasche machte.
    Diese Frau war in den Vierzigern, und der Verfall, der Verschleiß der Jahre, hatten sich tief in ihre Gesichtszüge eingegraben –, sogar die Zähne waren davon nicht verschont geblieben. In ihrem Gesicht sah er all die Anstrengungen, die sie gemacht hatte, um nicht alt zu erscheinen, und die das Maß ihres Versagens angaben. Er fühlte, wie ihn ungewollt Mitleid überkam, weil die Frau alles unternommen hatte und trotz dem nicht hübscher geworden war. Nun war es sowie so zu spät für solche Dinge.
    Die Auswirkungen ihrer Flucht waren ebenfalls sichtbar. Erschöpfung hatte sich in ihrem Gesicht niedergeschlagen. Sie war gerannt und gerannt, und das hatte sie noch mehr mitgenommen als ihn. Neben all diesen Dingen sah

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