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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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zu erleben; nur ein mühseliger Weg führte dorthin, unter Wasser, kauernd.
    Deshalb hatte Perkins keine Gewissensbisse über seinen »verständigen« Kontakt mit Della. Abgesehen davon nutzte er Dellas Lage ja nicht aus. Hätte sie es nicht ebenso gewünscht wie er, hätte sie ihm ja von vornherein die kalte Schulter zeigen können. Kein Zweifel, das hätte sie. Aber sie hatte es eben nicht getan, und er war vorsichtig und sacht vorgegangen, weil er ein Gentleman war und eine plumpe Annäherung beleidigend gewirkt hätte. Alles war in Ordnung; sie hielten einander fest und kamen sich soweit entgegen, wie sie nur konnten. Die Zukunft war so abstrakt wie die Vergangenheit Teufel nochmal. Sie genossen den Augenblick. Was hätten sie auch sonst tun sollen?
    So ähnlich sah Perkins die Sache, und seine Rechtfertigung war bei weitem nicht die schlechteste. Della war es andererseits nie richtig möglich, sich sorgenfrei zu fühlen. Perkins hatte die ganze Sache mit seinem Ausbruch von Schuldgefühlen nach der Operation begonnen, indem er zu ihr gesagt hatte, daß es ihm in gewisser Weise vorzuwerfen sei, daß er dem Arzt erlaubt hatte, sich des Falles anzunehmen. Er hatte sie um Verzeihung gebeten. Er hatte Della nie wirklich eine Chance gegeben. Er hatte von Anfang an gesagt, daß – vom psychiatrischen Standpunkt aus gesehen – das Alleinsein während dieser Zeitspanne für sie am schrecklichsten sein würde, daß sie einen anderen Be gleiter brauchen würde; einen, dem sie vertrauen kön ne, der die Situation verstehen würde, ohne groß Fragen zu stellen.
    Della hatte sich nicht gewehrt, weil sie nicht überschnappen wollte. Sie hatte nichts gegen Tragödien, aber Tragödien, die einen körperlich zerstören, waren für sie eine andere Sache. Wenn man eine vernünftige Frau war, brauchte es keine Grenzen der Vernunft zu geben. Es hatte einige gemeinsame Dinners gegeben, und einmal war es zu einem Austausch von Zärtlichkeiten in Perkins’ Wagen gekommen, nur oberhalb der Gürtellinie, bis zwei Uhr morgens – weil sie keine Teenager mehr waren, hatten sie sich vorgenommen, die Sache nicht im Auto, sondern richtig zu machen; außerhalb des Hauses. Demnach war das Hotel unvermeidlich gewesen. Es wäre auch unfreundlich gewesen, Perkins nach allem, was er für sie getan hatte, zurückzuweisen. Und weil er ihr seine Gefühle gebeichtet und ihr alles erzählt hatte. Keine andere Frau, hatte er gesagt, hatte er haben wollen, keine andere Frau .
    So lagen sie also hier, tra-la-la, am frühen Morgen, auf Zimmer 216 eines Hotels im Stadtzentrum, rauchten Zigaretten. Der Duft der Liebe (Perkins bestand darauf, es Liebe zu nennen, aber Della war sich da nicht so sicher) war auf ihren Körpern getrocknet, und sie waren noch zu überwältigt von der Ekstase, um einschlafen zu können. Della merkte, wie das alte Gefühl wieder in ihr aufstieg, das Gefühl, das sie schon so oft, aber noch nie in diesem Zusammenhang erlebt hat te, und weil sie es nicht ertragen konnte, daran zu denken, mußte sie sprechen. Das einzige Thema, über das sie reden konnten, die einzig wirkliche Verbindung, die sie hatten …
    Nun, wenn man es sich richtig überlegte …
    »Zeigen sich an ihm überhaupt keine Veränderungen?« fragte sie ruhig.
    »Keine«, sagte Perkins und drückte seine Zigarette vorsichtig im Aschenbecher aus. Dann schlug er mit der Faust auf das Kopfkissen ein, um die Stelle, auf die er seinen Kopf zu plazieren gedachte, zu glätten. »Kei ne Spur. Überhaupt nichts.«
    »Ich dachte, er hätte mich heute nachmittag vielleicht gesehen. Als ich eintrat, drehte sich sein Gesicht der Tür zu, und seine Wimpern zuckten deutlich. Ich war sicher, daß er wußte, daß ich hereinkam.«
    »Ein Wunschtraum, was sonst. Ich bin sicher, daß er durch deine Gefühle hervorgerufen wurde. Es gibt keinen Hinweis dafür, daß er bei Bewußtsein ist; er zeigt keinerlei Reaktionen. Gewebespannung ist nicht vorhanden. Seine Reflexe sind gedämpft. Keine Behandlung zeigt einen Erfolg. Es gibt nichts.«
    Sie haßte ihn, wenn er so redete, aber sie konnte es verstehen. Die ursprüngliche Grundlage ihres Verhältnisses war gewesen, daß er der Arzt war … ihr Arzt.
    »Liegt er im Sterben?«
    »Nein«, sagte Perkins und streckte seine Hand aus, um ihren Schenkel zu tätscheln. »Ganz und gar nicht. Nahezu klinisch tot, verbleibt er in einem Zustand körperlicher Gesundheit.«
    »Dann kann es noch lange so weitergehen?«
    »Das weiß niemand. Es kann diese

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