Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
Vom Netzwerk:
die Sache fast wert sein, was er durchgemacht hatte, wenn er in der Bar auf die Hure zuging, ihr sagte, wer er war und was er mit ihr zu tun gedachte. Es würde die Erschöpfung, die Niedergeschlagenheit, den Haß (was ihm alles hart zugesetzt hatte) wie ein Nichts erscheinen lassen; es würde einen reinigenden Effekt haben, wenn er endlich seine Chan ce bekam, es zu Ende zu bringen. Am überraschendsten war, daß er sie wirklich haßte. Die Wächter hatten nicht erwähnt, daß er ein solches Gefühl gegen sie entwickeln würde: Er hatte sich vorgestellt, daß es eine freudlose Jagd auf ein neutrales Objekt sein würde, ermüdend und langweilig. Aber als er sie das erstemal gesehen hatte, hatte er den vertrauten Impuls des Tö tenwollens verspürt, genau wie die Wächter es vorausgesagt hatten. Er mußte es diesmal tun. Er verachtete sie; sie war für alles verantwortlich. Von dem Moment an, als er sie sah, hatte er gewußt, daß er sie haßte. Nun mußte er sie in der Bar in die Enge treiben. Er hatte die Spur aufgenommen, war schneller und schneller durch den Schnee gelaufen und jetzt – bei Gott – wußte er, daß sie dort drinnen war. Er wußte gleichzeitig, was sie dort drinnen tat, und er wußte, daß es nichts gab, was ihn davon abhalten konnte, es jetzt zu tun. Was später mit ihm geschehen würde, war allerdings ein Problem. Gar keine Frage. Aber er mußte sich hinterher damit auseinandersetzen. Vielleicht würden sie ihn zu gegebener Zeit einfach töten. Er war jetzt vor der Bar; eine ganz gewöhnliche verstaubte Reihe von Fenstern lag vor ihm; eine ganz gewöhnliche Reihe von Stühlen an der Theke und einige vereinzelte Tische. Das einzig Ungewöhnliche an dieser Bar war, daß es die Bar war; sie war hier drin. Er spähte vorsichtig hinein, umgeben von seinem in der Kälte gefrierenden Atem, und fühlte dabei den stärker werdenden Druck der Pistole gegen die Rippen. Sie lehnte über ein Glas gebeugt an der Bar und sprach mit einer der verdammten Prothesen der Wächter, einem Barmixer.
    Oh, sie harten wahre Glanztaten mit dem Bevölkern der Stadt durch ihre Zombies vollbracht, das war klar – vorausgesetzt, die Wächter hatten die Wahrheit gesagt, als sie meinten, daß sie die Menschen wiedererwecken würden, um sie als Statisten einzusetzen. Die Stadt war voller Leute: Barmixer, Hotelangestellte, Polizisten, Jugendliche, weibliche Teenager. Die gesamten Einzelheiten städtischen Lebens waren vorhanden, perfekt bis ins kleinste Detail; teuflisch, frech und anmaßend. Es war alles so realistisch, daß James sich vorstellte, daß alles, was mit ihm geschehen war, wirklich nichts anderes als eine Halluzination darstellte.
    Vielleicht war er unverletzt in die furchteinflößende, vertraute Kammer New York zurückgeworfen worden, auf daß er hier noch ein paar weitere Stunden seines gräßlichen Lebens verbringen konnte. Aber noch im mer besaß er kein umfangreiches Erinnerungsvermögen. Und außerdem waren die Gesichter und Handlungen dieser Leute tot : Eine steife Schwerfälligkeit lag in ih ren Bewegungen und in ihrer Sprache, was den Anschein der Lebendigkeit Lügen strafte. Einmal, bei einem kurzen Wortwechsel mit einem Verkehrspolizisten über Herumstreunerei, hatte James die Hand ausgestreckt, um sie dem Polizisten auf die Schulter zu legen. Der Mann war vor seinen Augen zerbröckelt. Er war zu einer Art grauen Pulvers geworden, das der Wind langsam weggeblasen hatte.
    Es war eine unheimliche Sache gewesen, und in dem New York, an das er sich erinnern konnte, hätte ein solcher Vorfall sicherlich eine Unmenge von Neugierigen angelockt. Aber es war überhaupt nichts geschehen; die Menschen waren schnell in beiden Richtu ngen an ihm vorbeigehastet, als sei nichts vorgefallen. Das überzeugte James davon, daß die Wächter auch ausführten, was sie vorgaben. Er kam zu dem Entschluß, von nun an niemanden mehr zu berühren. Ausgenommen natürlich das Mädchen. Sie beide waren die einzigen lebenden Wesen in dieser Stadt. Ja, er glaubte, daß an ihren Bewegungen nichts außergewöhnlich oder ungeschickt war. Als sie sich beim ersten Mal gegenüberstanden, hatten ihre Augen mit einer Furcht und Verlegenheit geflackert, die der seinen ziemlich nahe kam. Das Mädchen, dieses Mädchen, hatte in einer Stadt, in der die Starrheit herrschte, gezittert . Er mußte sie finden und ausschalten. Dazu war er entschlossen.
    Er zuckte die Schultern, rückte die Pistole etwas bequemer, und dann, mit hochgezogenen

Weitere Kostenlose Bücher