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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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Hurensohn«, sagte die Frau. James erkannte, daß sie sich in einer weitaus schlechteren Lage befand als er. Einerseits glaubte sie, daß der Barmixer ein lebendes Wesen war, zum anderen hatte sie ihre Selbstbeherrschung verloren. Dazu gab es keinen Grund, insbesondere nicht, seitdem er beschlossen hatte, sie nicht zu töten. Aber sie konnte sich nicht zurückhalten. »Du blöder Hurensohn, wirst du wohl die Fresse hal ten? Verschwinde, aber plötzlich! Was weißt du überhaupt? Hast du etwa eine Ahnung, was hier im Gange ist?«
    James wollte sie beruhigen. Er lächelte so freundlich wie er konnte und hob seinen Kopf, um ihr zu zeigen, daß er nichts Böses gegen sie im Schilde führte. Er blickte die Attrappe an, maß sie, maß die Präzision der Arbeit, die man für sie aufgewendet hatte. Aber das Ding verduftete nicht. Es stand da und begann – durch irgendeinen technischen Trick – zu erröten.
    »Sieh mal«, sagte James, »keine Einmischung Dritter, klar? Das hier geht nur Della und mich etwas an. Nur uns beide. Della ist müde«, sagte er zu ihr, um ihr sein neues Verständnis zu zeigen, in der Hoffnung, daß sie es bemerken würde. »Della will nicht länger fliehen. Und James? James ist auch müde. Wir haben uns abgehetzt und das Spiel gespielt. Aber jetzt steht’s uns bis zum Hals. Wir haben die Schnauze voll. Della, als ich dich durch das Fenster sah, als du mir in diesem gräßlichen Raum gegenüberstandest, wurde mir zum erstenmal bewußt, daß ich dich nicht töten kann. Du bist auch ein reales Wesen, vielleicht das einzige außer mir, das einzige existierende natürliche Individuum.«
    Er begann zu schreien. »Della, wir müssen mit alldem aufhören! Wir müssen alles stoppen! Der Plan, den wir erfüllen, wenn wir so weitermachen, ist schäbig genug. Du mußt mich als das, was ich bin, akzeptieren. Du mußt akzeptieren, wie ich bin, und ich werde dir gegenüber dasselbe tun. Vielleicht wird dieser Weg ein Anfang sein. Della, sieh mich an! Bitte, sieh mich an!«
    Jetzt war es heraus, und er war sich nicht einmal völlig sicher, was er eigentlich gesagt hatte. Nie zuvor hatte er mit ihr gesprochen, und ganz gewiß nicht auf diese Weise. Jetzt, indem er beobachtete, wie sie darauf reagierte, beobachtete, wie ihr halbgeöffneter Mund sich vor Überraschung schloß, fühlte er bereits den inneren Zwang, seine Worte zu widerrufen.
    Was habe ich gesagt? Was bin ich im Begriff zu tun?
    Aber es gab nichts, was es zu widerrufen galt; er hatte es ausgesprochen. Es war gegenständlich.
    »Du«, sagte sie, ihn ansehend, »du warst die ganze Zeit hinter mir her. Oh Gott! Wie kindisch. Alles ist kindisch, auf der niedrigst-möglichen Stufe. Gott, ist das alles, was mit dir los ist? Läuft alles nur darauf hinaus? Ist das alles, was der Mörder jetzt sagen kann?«
    »Ich hatte nichts mit ihm zu tun«, sagte sie, auf den Mixer deutend. »Aber er hat mir mehr geschadet als du, weil er nicht viel sagen wollte. Das ist die Erhabenheit des Schweigens. Aber du: du und ich. Wir haben überhaupt nichts davon gewußt, nicht wahr, James?«
    »Nein«, sagte er. »Nein, das haben wir nicht. In Ordnung, vergiß es. Ich hatte keinen Grund, das zu sagen, was ich gesagt habe.« Er fühlte, wie die alte Wut wieder in ihm hochstieg. Die Hure war unmög lich; man konnte nicht mit ihr verhandeln; es hatte sei ne Richtigkeit, daß sie das Opfer war, weil sie nichts anderes verdiente.
    »Gehen wir also zu dem Punkt zurück, an dem wir angelangt waren«, sagte er. »Du hast sieben Minuten Vorsprung. Nicht mehr. Geh raus. Los, hau ab jetzt! Mach schon!«
    Er fühlte, wie seine Hände zitterten. Er brauchte keine Pistole; in diesem Augenblick hätte er keine Pistole gebraucht, um sie zu töten. Er würde es mit den Händen tun. Hier in dieser Bar. Aber er wollte sich nicht dazu provozieren lassen, nicht von ihr. Es war alles nur eine Frage der Selbstbeherrschung. Er war mehr als Dreck wert. Es mußte so sein.
    »Seht beide mal her«, sagte die Kunstfigur. »Tragt das draußen aus. Ich hab keine Ahnung von dem, was hier läuft, und ich will auch gar nichts davon wissen. Aber ich will euch folgendes sagen; ich …«
    »Ich bin kein Fels«, sagte Della. »Ich bin nicht aus Stein. Der Sache muß ein Ende bereitet werden. Die Qualen müssen aufhören, deine und meine. Aber ich sage dir, daß es so nicht weitergeht. So nicht. Ich wer de nicht gehen. Ich werde auch nicht mehr rennen. Du kannst mich erschießen, meinetwegen kann das dann das Ende

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