Jagdfieber
eine kurze Pause, grinste leicht und meinte: „Also, tust du deinem alten Herrn den Gefallen? Ich weiß, wie hartnäckig und charmant du sein kannst, wenn du etwas haben willst. Victor wird nicht Nein sagen.“
Hast du eine Ahnung.
Trotzdem gab sie seiner Bitte nach. „Na gut, wenn es dir so wichtig ist, dann begebe ich mich für dich in die Höhle des Löwen. Aber wenn er mich frisst, dann stehst du mit deinen Schuldgefühlen ganz allein da.“
Ross lachte. „Das ist mein Mädchen!“
Anschließend verwuschelte er unter ihrem lautstarken Protest das immer noch leicht feuchte Haar und ließ sie allein.
Kurz darauf stand sie artig vor Victors Büro und drückte sich das Ohr an der Holzvertäfelung der Tür platt. Sie horchte angestrengt und widerstand der Versuchung, wie ein Kind auf die Knie zu sinken, um durch das Schlüsselloch zu schauen. Gleichzeitig ärgerte sie sich über ihr Zögern. Warum klopfte sie nicht einfach an, verdammt! Immerhin hatte sie einen ganz offiziellen Grund, um ihn aufzusuchen, und nicht mal Victor würde ihr deswegen Vorhaltungen machen.
Entschlossen trat sie einen Schritt zurück, holte mehrmals tief Luft und wischte sich die feuchtgewordenen Hände an ihrem Kleid trocken, ehe sie den Arm hob. Sie klopfte so energisch, dass sich die Knöchel röteten, und stieß ein leises Aua aus. Victors barsche Antwort folgte sofort danach.
„Wer ist da?“
Er hatte miese Laune, das war nicht zu überhören. Paiges Herz sank eine Etage tiefer, ihr Mut machte sich auf die Socken und ging gleich mit. Wie motivierend …
„Ich bin es, Paige. Kann ich reinkommen?“, fragte sie nichtsdestotrotz.
Atemlose Stille. Dieser sture Kerl sagte keinen Pieps, und die Kämpfernatur in ihr kam wieder zum Vorschein. Sie war entschlossen, sich nicht von ihm verjagen zu lassen. Notfalls würde sie vor der Tür kampieren, um ihren Auftrag zufriedenstellend auszuführen, u nd wenn er sich auf den Kopf stellte und Rule, Britannia sang.
Kapitel 5
Das Pendel der altmodischen Bodenstanduhr aus dem 19. Jahrhundert schlug weiterhin gleichmäßig hin und her, als Paige ihn aus seiner arbeitsamen Versunkenheit riss. Er war gerade dabei, sich den vierteljährlichen Bericht seines Verwalters durchzulesen, und die Störung kam ihm höchst ungelegen. Außerdem fand er es extrem beunruhigend, dass allein der Klang ihrer Stimme ausreichte, um ein unangenehmes Ziehen in seiner Leistengegend auszulösen. Ungehalten klopfte er mit dem Taster des Kulis auf seiner Schreibtischplatte herum und verfluchte seinen Mangel an Willenskraft. Gleichzeitig überlegte er, wie er sie am elegantesten wieder loswerden konnte, denn seine Lust, ständig gegen seine eigenen Gefühle ankämpfen zu müssen, war gleich null. Leider präsentierte ihm sein überreizter Verstand auf die Schnelle keine passende Lösung, um sie wieder zum Gehen zu bewegen, und so ergab er sich in das Unvermeidliche.
„Komm rein, die Tür ist offen.“
Innerlich wappnete er sich gegen den Anblick, den sie gleich bieten würde: angezogen wie ein leichtes Mädchen, das Gesicht mit unnötigem Make-up überladen und die zierlichen Puppenfüße mit mörderischen Stöckelschuhen bewaffnet, in denen sie mühelos jeden Kerl zum Mädchen treten könnte. Seine Finger verkrampften sich und brachen fast seinen Stift auseinander, als die Tür aufschwang und sie wortlos und wie auf Wolken getragen in den Raum hereinschwebte. Doch anstatt der hohen Schuhe, auf denen sie Gefahr lief zu torkeln und mit ihrer hübschen Nase auf den glänzenden Parkettboden mit dem wunderschönen Kassettenmosaik zu fallen, trug sie flache Ballerinas. Er ließ den Stift los und starrte sie mit offenem Mund an, weil seine Vorstellung nichts mit der aktuellen Realität zu schaffen hatte. Es war grundsätzlich kaum zu fassen, wie sehr Kleidung einen Menschen verändern konnte, aber bei ihr war der Wandel geradezu sensationell. Anstatt der viel zu engen Hosen oder ultrakurzen Röcke trug sie ein knielanges und sehr schlichtes Kleid im Carmen-Stil. Der Saum schwang bei jedem Schritt leicht hin und her und betonte ihre schönen Beine. Auf einen übertriebenen Hüftschwung verzichtete sie komplett, stattdessen bewegte sie sich mit einer Grazie über die glattpolierte Oberfläche des Bodens, als würden ihr diese schlichten Schuhe geradezu Flügel verleihen. Seine Augen wanderten nach oben. Ihre dichte Haarmähne hatte sie zur Abwechslung mal hochgesteckt, was die grazile Linie ihres schlanken
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