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Jagdhunde (German Edition)

Jagdhunde (German Edition)

Titel: Jagdhunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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könnte. In Ermangelung einer konkreten Arbeitsaufgabe hatte er sich entschieden, alle Falldokumente noch einmal durchzugehen und zu überprüfen, ob vielleicht zwischen den Zeilen etwas herauszulesen war.
    Immer wieder drifteten seine Gedanken zu Rudolf Haglund. Könnte es sein, dass sie damals vor siebzehn Jahren etwas übersehen hatten? Etwas, das er selbst vielleicht außer Acht gelassen und verleugnet hatte, um die stringente Beweisführung gegen Haglund nicht zu gefährden?
    Bis jetzt hatte er nichts gefunden, was für Rudolf Haglunds Unschuld sprach, aber auch nichts, was den Glauben daran stärkte, dass er tatsächlich der Täter war.
    Wisting schaltete die Wandleuchte ein. Der Lichtschein verzerrte das Spiegelbild seines Gesichts im Fenster. Die Augen blickten ihn mit einer fremden Leere an. Er kniff sie zusammen und wandte sich einem neuen Bericht zu. Hierin wurde beschrieben, wie der Traktorfahrer Karsten Brekke die Fotos aus der sogenannten Verbrecherkartei angesehen hatte.
    Nils Hammer hatte den Termin nach den maßgeblichen Vorschriften des Generalstaatsanwalts vorbereitet. Dabei war wesentlich, dass der Zeuge bei der Auswahl des Gesuchten freie Wahlmöglichkeiten hatte und in keine bestimmte Richtung gedrängt wurde.
    Karsten Brekke hatte zunächst noch einmal eine Beschreibung des unbekannten Mannes neben dem Opel abgegeben. Diese passte gut zu Rudolf Haglund. Ungefähr dreißig Jahre alt, dunkles, an den Seiten dichter werdendes Haar. Breites Gesicht mit kräftigem Kinn und dunkle, eng zusammenstehende Augen.
    Danach waren ihm zwölf Bilder von etwa gleichaltrigen Männern gezeigt worden, die sowohl dieselbe Gesichtsform als auch dieselbe Haarfarbe hatten. Die Fotos waren in vier Reihen mit jeweils drei Aufnahmen auf einer Tafel angeordnet gewesen. Eine Fotografie der Tafel in A4-Größe war dem Bericht angeheftet. Rudolf Haglund war Nummer zwei in der zweiten Reihe, was ihn ungefähr in die Mitte der Aufnahme platzierte. Er war der Erste, der Wisting auffiel. Natürlich konnte es daran liegen, dass Wisting sein Gesicht kannte, aber er bildete sich auch ein, dass Haglunds Augen den Blick anzogen. Ein Mittelpunkt.
    Karsten Brekke hatte auf Haglund gezeigt. Seine Wortwahl war in dem Bericht wiedergegeben. »Das ist er. Nummer zwei.« Auf die Frage, wie sicher er sei, hatte er geantwortet: »So sicher, wie man nur sein kann.«
    Nach der Identifikation war eine Vernehmungspause eingelegt worden, bevor man Karsten Brekke dieselben Bilder noch einmal vorgelegt hatte, jedoch in veränderter Reihenfolge. Dieses Mal war Rudolf Haglund Nummer elf. Karsten Brekke war ebenso sicher gewesen wie zuvor.
    Das folgende Falldokument war ein Haftbefehl, abgestempelt und unterzeichnet von Audun Vetti.
    Die durch Karsten Brekke erfolgte Identifizierung Haglunds auf dem Foto war zur maßgeblichen Grundlage des gegen ihn gerichteten Verfahrens geworden. Es hatte sich um einen Meilenstein in der Ermittlung gehandelt und war streng genommen ein größerer Durchbruch als die Übereinstimmung der DNA-Proben gewesen. Wäre Rudolf Haglund nicht von Karsten Brekke wiedererkannt worden, hätten sie nicht einmal die Berechtigung gehabt, zum Abgleich mit den Analyseergebnissen der Zigarettenkippen eine Vergleichsprobe von ihm einzuholen.
    Das Foto von Haglund stammte aus dem polizeiinternen Strafregister und war zwei Jahre zuvor in Zusammenhang mit der Anzeige wegen Exhibitionismus gemacht worden. Doch als sie ihn wegen Mordes verhaftet hatten, sah er noch immer so aus wie auf dem Bild.
    Wisting las den ganzen Bericht aufs Neue. Für jemanden, der nicht im selben Raum gewesen war, schien es schwierig zu beurteilen, inwieweit Karsten Brekke in irgendeiner Weise beeinflusst worden war. Nils Hammer hatte angegeben, die Anordnung der Fotos nach dem Zufallsprinzip vorgenommen zu haben. Es gab keinen Anlass zu vermuten, dass die zentrale Platzierung des Verdächtigen beabsichtigt war. Allerdings war es ein Manko, dass Nils Hammer mit Brekke allein im Raum gewesen war. Die Richtlinien sahen vor, dass die Konfrontation eines Zeugen mit den Fotos aus der Verbrecherkartei von einem leitenden Polizeibeamten und mindestens einem Assistenten durchgeführt werden musste.
    Wisting legte den Bericht beiseite und spürte plötzlich, dass er hungrig war. Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen, wie ihm auffiel. Er stand auf, ging zur Arbeitsplatte und goss sich ein Glas Wasser ein. Es war acht Uhr. Er beschloss, noch eine Stunde zu bleiben und dann

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