Jagdhunde (German Edition)
gut allein zurecht und unternahm unter anderem häufig lange Spaziergänge durch Wald und Flur, außerdem angelte er gern.
Ein eigenes Kapitel war seinem Sexualleben gewidmet. Zum ersten Mal hatte er als Sechzehnjähriger Sex mit einem gleichaltrigen Mädchen, ein Liebesverhältnis war daraus aber nicht entstanden. Nachdem er nach Larvik gezogen war, ging er eine Liaison mit einer dreizehn Jahre älteren Nachbarin ein. Die Beziehung endete, als sie nach Westnorwegen zog. Danach hatte er ausschließlich sexuelle Bekanntschaften, die er durch Kontaktanzeigen in Spezialmagazinen machte. Ganz offen hatte er zugegeben, von Sadismus und Dominanz über die Partnerin sexuell erregt zu werden.
Der Untersuchungsbericht der Sachverständigen kam zu dem Schluss, dass Haglund keine Symptome oder Verhaltensweisen zeigte, die irgendwie in die Richtung eines psychotischen Zustands deuteten. Die Frage nach seinem Gefühlsleben war nicht leicht zu beantworten gewesen. Intelligenzmäßig lag er im Rahmen des guten Durchschnitts, wies jedoch deutliche Mängel in seiner Persönlichkeitsentwicklung auf, was insbesondere seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse betraf. Trotz eines leicht mangelhaft entwickelten Gefühlslebens wurde angenommen, dass er nicht ernsthaft gestört war. Er war im Sinne des Strafrechts zurechnungsfähig und konnte vor Gericht gestellt werden.
Für die Ermittler war das rechtspsychiatrische Gutachten nur eine weitere Bestätigung der Vermutung, dass Rudolf Haglund der Täter war. Es zeichnete das deutliche Bild einer Person nach, die Gewaltverbrechen gegen Frauen ausübte.
Wisting erhob sich und überprüfte sein Handy. Die Liste der unbeantworteten Anrufe war länger geworden, aber es gab keinen Anruf von Line oder Suzanne. Es war fast zehn Uhr geworden, viel später, als er gedacht hätte.
Er ließ die Dokumente und persönlichen Aufzeichnungen auf dem Tisch liegen, zog allerdings den Vorhang vor. Dann nahm er seine Jacke, ging hinaus und schloss hinter sich ab.
Die Luft war kühl und mit einem kräftigen, salzigen Meerduft angefüllt. Wisting atmete tief ein, wartete einen Moment, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und lief dann über den befestigten Weg hinüber zu seinem geparkten Wagen. Der Niederschlag hatte die kleine Rasenfläche vor der Hütte in eine Wasserlandschaft verwandelt und er machte einen großen Bogen, um nicht in die größten Pfützen zu treten.
Als er den Wagen anließ, ertönten die Nachrichten aus dem Radio. Es wurde von einem Politiker berichtet, der des unzüchtigen Umgangs mit jungen Männern beschuldigt wurde. Wisting wollte das Radio schon ausschalten, als er hörte, wie der Nachrichtensprecher zum nächsten Beitrag überging und berichtete, dass die Polizei die siebzehnjährige Linnea Kaupang aus Larvik suchte. Sie war seit Freitag verschwunden und die Polizei schloss nicht aus, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Nach einer kurzen Beschreibung des Mädchens wurden alle Hörer, die eventuelle Beobachtungen gemacht hatten, aufgefordert, sich bei der Polizei zu melden.
Wisting schaltete das Radio aus und fuhr mit zusammengepressten Lippen durch die stille Dunkelheit. Die Gedanken an das Mädchen machten ihm zu schaffen. Er spürte, dass er gern zur Stelle gewesen wäre. Im Präsidium. Damit er sicher sein könnte, dass alles Menschenmögliche getan wurde, um das vermisste Mädchen und die Person, die sich eventuell an ihm vergangen hatte, zu finden.
33
Line war allein im Hotelzimmer. Sie hatte sich ausgezogen und lag, mit dem Computer vor sich, in dem breiten Bett auf dem Bauch. Die Polizei hatte die Identität des Ermordeten bestätigt, was es wesentlich einfacher machte, über den Mord zu schreiben.
Ihre Reportage bestand aus vier Elementen. Um Interesse zu wecken, benutzte sie in der Einleitung den mysteriösen Einbruch und erwähnte dann die nicht zustande gekommene Verabredung Ravnebergs mit dem Anwalt. Das dritte Element war eine Charakterbeschreibung des Mordopfers, basierend auf den Aussagen von Torgeir Roxrud. Der letzte Teil schließlich war nach dem Muster Hier wurde das Opfer zuletzt gesehen gestaltet. Line war überzeugt, mehr Material als die anderen Kollegen zu haben, doch es fiel ihr schwer, die Gedanken zu ordnen und die Worte zu Papier zu bringen.
Sie dachte an ihren Vater. Er hatte die bemerkenswerte Fähigkeit, die Situation, in der er sich befand, zu akzeptieren und alles von außen zu betrachten. Es war
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