Jagdhunde (German Edition)
nach Hause zu fahren.
Der Bericht lag noch immer aufgeschlagen auf dem Sofa. Wisting trank das Glas zur Hälfte aus, füllte es wieder auf und nahm es mit sich. Dann setzte er sich und hielt die Aufnahme mit den Fotos aus der Verbrecherkartei ins Licht. Die anderen elf Männer waren aufgrund ihrer Ähnlichkeit zufällig ausgewählt worden, die Fotos stammten aus dem Archiv. Es handelte sich um Profil- und Frontalaufnahmen. Wisting kannte keinen der Männer.
Er blätterte weiter bis zu der Stelle, an der beschrieben wurde, wie das Sichten der Fotos aus der Verbrecherkartei durchgeführt worden war. Hammer hatte Karsten Brekke anscheinend nicht darüber informiert, dass sich der Verdächtige nicht unbedingt unter den zwölf Männern befinden musste. Dies war einer der Punkte in den Richtlinien, durch den jeder Erwartungsdruck von einem Zeugen genommen und eine eventuell falsche Identifizierung ausgeschlossen werden sollte. Hammer konnte es vielleicht erwähnt haben, ohne dass es protokolliert war, aber es war auffällig, dass es sich nicht in diesem ansonsten peinlich genauen Bericht wiederfand, der unter anderem Karsten Brekkes Aussage in Zitatform hervorhob.
Wisting blätterte zurück zu den Fotos. Die verkleinerte Kopie der Aufnahmen entsprach ungefähr einem Drittel der Größe der verwendeten Tafel. Darüber hinaus handelte es sich um eine Schwarz-Weiß-Kopie, die Details waren nur schwer erkennbar. Alle Männer hatten ähnliche Gesichtszüge, doch es sah so aus, als hätte nur Rudolf Haglund eine schiefe Nase.
Wisting nahm die Aufnahme mit unter das grelle Licht über der Arbeitsplatte und studierte das Foto erneut.
Die Männer waren alle ungefähr gleich alt und hatten eine ähnliche Gesichtsform, die Stellung der Augen und die Form der Nase hingegen waren unterschiedlich. Rudolf Haglund hob sich mit seinem stark eingedrückten Nasenbein hervor. Seine Nase war nicht flach wie bei einem Boxer, doch es sah aus, als wäre sie ihm irgendwann einmal eingeschlagen worden.
Genauso hatte Karsten Brekke den unbekannten Mann während der ersten Vernehmung beschrieben. Wisting blätterte zurück und las sich die Personenbeschreibung noch einmal durch. Norwegischer Mann, circa dreißig Jahre alt. Ungefähr ein Meter achtzig groß. Breites Gesicht, eng zusammenstehende Augen, dunkles Haar und auffällig schiefe Nase. Mit dieser Beschreibung hatten sie damals gearbeitet und die Abgleichung mit den Listen vorangetrieben. Sie hatten dreiundneunzig Hinweise auf Männer bekommen, die zu der Beschreibung passten. Zweiundneunzig waren ausgeschieden, sodass am Ende nur noch Rudolf Haglund übrig geblieben war.
Im Zuge der Identifizierung hatte Karsten Brekke seine Beschreibung des Mannes wiederholt. Wisting las: Circa dreißig Jahre, dunkles Haar, breites Gesicht, kräftiges Kinn und dunkle, eng zusammenstehende Augen. Die Beschreibung der Nase fehlte. Es konnte vielleicht ein Versehen gewesen sein, doch Wisting fiel es schwer, das zu glauben. Genau solch eine Besonderheit konnte bei den Ermittlungen hilfreich sein. Dieses Detail hatte unter anderem auch Wisting davon überzeugt, dass Haglund der Täter war.
Wisting mochte den Gedanken kaum zu Ende denken, konnte sich aber nicht von dem Verdacht befreien, dass Nils Hammer diese Detailbeschreibung ausgelassen hatte, damit alle, die diesen Bericht später lesen würden, nicht so schnell erkennen konnten, dass die Aufmerksamkeit des Zeugen auf eine einzelne Person und nicht gleichmäßig auf alle Abgebildeten gerichtet war.
32
Zwei Fragen hatten im Cecilia-Fall eine zentrale Position eingenommen. Wer hatte es getan? Und warum?
Als sie eine Antwort auf das Wer bekommen hatten, war die Frage nach dem Warum unter den Tisch gefallen. Sie war nie beantwortet worden. Man hatte sich gut vorstellen können, dass der Entführung eine sexuelle Motivation zugrunde lag und der Mord begangen worden war, um das ursprüngliche Verbrechen zu verschleiern. Doch es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass Cecilia sexuell missbraucht worden war. Als man sie gefunden hatte, war sie nackt, aber das war auch der einzige Aspekt, der für ein sexuelles Motiv sprach. Darüber hinaus waren weder Sperma noch andere Spuren des Täters an ihr gefunden worden.
Die Rechtsmedizin hatte in den vergangenen siebzehn Jahren große Fortschritte gemacht. Zu jener Zeit waren die Labors fast ausschließlich auf Speichel, Blut oder Samen angewiesen, um DNA zu finden. Mittlerweile reichte es aus, dass ein Täter mit
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