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Jagdhunde (German Edition)

Jagdhunde (German Edition)

Titel: Jagdhunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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Interviews durchzuführen. »Ich kann auch gern später noch mal zurückkommen, wenn es jetzt nicht passt.«
    »Aber nein, schon in Ordnung«, erwiderte die Frau und trat ein wenig beiseite, um Line hereinzulassen. »Mein Mann ist verreist.«
    Line wurde in eine große Küche mit einem offenen Gaskamin geführt, in dem echt wirkende, aber imitierte Kohlen glühten. Auf der Arbeitsplatte lag ein Blech mit frisch gebackenen Brötchen. Die ganze Küche duftete danach.
    »Wir haben gerade gebacken«, erklärte Christianne Grepstad und setzte das Kind auf einen Stuhl. »Möchten Sie vielleicht probieren?«
    »Ja, gern«, erwiderte Line lächelnd.
    Christianne Grepstad legte die Brötchen auf eine große Anrichteplatte und stellte ein paar Teller auf den Tisch. Sie war ungefähr in Lines Alter, vielleicht sogar ein paar Jahre jünger als achtundzwanzig, aber mit Mann, Kind und Haus schon fest etabliert.
    Line begegnete immer häufiger jungen Frauen, die schon weiter als sie selbst gekommen waren. Mit einer gewissen Ambivalenz stellte sie fest, dass sie das nicht sonderlich bekümmerte. Sie hatte schon immer gedacht, dass sie gerne eine Familie und Kinder haben wollte, aber das lag irgendwann in der Zukunft. Vorläufig mochte sie es, ihr eigener Herr zu sein, frei über ihre Zeit verfügen und Überstunden machen zu können, ohne irgendwem gegenüber ein schlechtes Gewissen zu verspüren. Manchmal allerdings war sie etwas verzweifelt, weil es ihr bisher noch nicht gelungen war, nach Tommy Kvanter einen neuen Partner zu finden. Auf keinen Fall wollte sie sich noch einmal von einem Mann faszinieren lassen, der ganz offensichtlich nicht gut für sie war. Eine ältere Arbeitskollegin hatte seit fast zehn Jahren ein Verhältnis mit einem verheirateten Kulturjournalisten und Line hatte sich geschworen, dass sie unter keinen Umständen in so einer Beziehung ohne Perspektive enden wollte, um dann festzustellen, dass sie zu alt für all das war, was sie sich einmal gewünscht hatte.
    »Was wissen Sie über die Sache?«, fragte sie und schüttelte die Gedanken ab.
    »Eigentlich weiß ich gar nichts, aber ich glaube, dass ich ihn gesehen habe.« Die Frau nahm zwei Tassen aus dem Schrank über der Spüle und stellte sie auf den Tisch. »Tee?«
    »Ja, das wäre schön«, bedankte sich Line, wollte aber den Gesprächsfaden nicht verlieren. »Wen haben Sie gesehen?«
    Christianne Grepstad füllte einen Wasserkocher. »Den, der ermordet wurde«, erwiderte sie und holte ein Kästchen mit Teebeuteln und eine Zuckerdose hervor. »Zumindest glaube ich, dass er es war. Er war mit seinem Hund unterwegs und trug Regenzeug, so wie es gesagt wurde. Ich dachte, ich müsste das angeben. Die Polizei hat ja alle, die ihn gesehen haben, aufgefordert, sich zu melden.«
    Das Kind streckte die Hand nach einem Plastikbecher aus und umfasste ihn mit seinen kleinen dicken Fingern.
    »Wo haben Sie ihn gesehen?«, fragte Line.
    Der Kleine schlug mit dem Becher gegen die Tischkante, warf ihn auf den Boden und blickte die Mutter mit rabenschwarzen Augen verständnislos an.
    »Unten in Gamlebyen«, erwiderte sie und hob den Becher auf. »Ich war dort mit zwei Freundinnen im Café und habe ihn dann auf dem Rückweg gesehen. Er stand vor der Buchhandlung.«
    Line kannte sich nicht aus und musste die Frau bitten, ihr das genauer zu erklären. Sie hatte sich den Stadtplan auf dem Computerbildschirm angesehen und wusste, dass der betreffende Ort innerhalb der sternförmigen Wallanlage lag, westlich der Stelle, an der Jonas Ravneberg gefunden worden war.
    »Wissen Sie, wie spät es da war?«
    »Ich habe das Café um halb zehn verlassen. Es liegt nur einen Block entfernt.«
    Line rechnete nach. Der eingegangene Tipp hatte die Redaktion um zehn vor zehn erreicht. Grob überschlagen war Jonas Ravneberg also zehn oder fünfzehn Minuten, nachdem Christianne Grepstad ihn gesehen hatte, ermordet worden.
    »War er allein?«, fragte sie.
    »Ja«, erwiderte die Frau und drehte sich zur Arbeitsplatte. Das Wasser kochte und sie füllte die beiden Tassen. »Aber es sah aus, als hätte er auf irgendwen oder irgendwas gewartet«, fügte sie hinzu und setzte sich.
    Line wählte grünen Tee. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich weiß nicht. Irgendwie stand er einfach nur da. Die Polizei hat mich das auch schon gefragt. Ich habe darüber nachgedacht, kann es mir aber nicht anders erklären. Ich hatte das Gefühl, dass er irgendwas Ungesetzliches vorhatte und nur darauf wartete, dass die Luft

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