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Jagdhunde (German Edition)

Jagdhunde (German Edition)

Titel: Jagdhunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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einem Gegenstand oder einem anderen Menschen in Berührung gekommen war.
    Die Obduktionsmappe enthielt brutal wirkende Fotos der nackten Leiche auf dem Obduktionstisch. An Brüsten und Unterleib war die Haut heller, so als habe sich Cecilia in einem Bikini gesonnt. Hüften und Unterleib waren schlank, die Schamhaare hell und getrimmt. Die Brüste waren groß, rund und fest, mit dunklen Brustwarzen. Von der Körpermitte bis zum Hüftbein verlief eine rote Schramme, die laut Vermutung der Rechtsmediziner beim Sturz in den Graben enstanden sein musste, wo sie gefunden worden war. Ansonsten war die Haut glatt, ohne Leberflecke oder Narben. Hände und Füße waren klein. Die Fingernägel waren rot lackiert und an den Rändern des Nagelbetts von einem Rand aus Nagelhaut gesäumt. Das Gesicht war steif und wies eine erschreckende blaue Färbung auf. Die Augen waren halb geschlossen, doch im Weiß des Auges und den mit grauen, schimmernden Sprenkeln versehenen Pupillen waren ganz winzige Blutflecken erkennbar, die Wistings Aufmerksamkeit fesselten.
    Ein leerer Blick, irgendwo zwischen der Angst und dem Nichts schwebend.
    Sie hatten erwogen, dass die Nacktheit inszeniert worden war, um die Ermittler abzulenken, und dass das eigentliche Motiv ein anderes war. Allerding hatten sie sich nur schwer vorstellen können, was dieses gewesen sein könnte – jedenfalls mit Rudolf Haglund als Täter.
    Die gerichtspsychiatrische Untersuchung Haglunds war als Dokument Nummer achtundfünfzig in dem roten Ordner verzeichnet. Sie vermittelte einen tieferen Eindruck in seine Persönlichkeit, als es die Vernehmungen ermöglicht hätten. Die psychiatrische Untersuchung hatte den Zweck herauszufinden, ob der Verdächtige im Sinne des Strafrechts unzurechnungsfähig war. Die Untersuchung an sich beruhte auf der Bereitschaft des Verdächtigen, Gespräche mit zwei Spezialisten zu führen. Es war interessant zu lesen, wie Familie, Kindheit, Schulbesuch, Arbeitsleben, Gesundheit und Sexualleben aus einer völlig anderen Perspektive als der rein polizeilich orientierten beschrieben wurden.
    Haglund war in Skien geboren und aufgewachsen und beschrieb seine ersten Kindheitsjahre als gut. Er war Einzelkind, seine Eltern waren bereits in fortgeschrittenem Alter, als sie ihn bekamen. Der Vater arbeitete bei der Post, die Mutter hatte eine Halbtagsstelle in einem Schuhgeschäft.
    Als Haglund acht Jahre alt war, bekam sein Vater Magenkrebs, der sich auf weitere Organe ausbreitete. Er erhielt eine Chemotherapie und lebte fünf Jahre mit der Krankheit. Doch das Leiden hatte ihn anscheinend völlig verändert. Er wurde sehr reizbar und wütend, Rudolf Haglund wurde häufig geschlagen. Parallel dazu bekam seine Mutter Nervenprobleme.
    Haglund erlebte es so, dass seine ganze Welt aus dem Gleichgewicht geriet. Er wurde zum Bettnässer und hatte das Gefühl, mit allem und jedem über Kreuz zu liegen. In der Schule wurde er gemobbt, war aber für sein Alter groß und stark und parierte die Anfeindungen mit körperlichem Einsatz. Auch in anderen Situationen konnte er sich unter Anwendung von Gewalt wehren und wurde nach verschiedenen, gegen seine Lehrer gerichteten Gewaltausbrüchen zeitweilig von der Schule verwiesen. Auch körperliche Gewalt gegen seine Mutter wurde beschrieben.
    Er hatte den theoretischen Schulfächern nicht genügend folgen können und wurde nach dem ersten Halbjahr in der achten Klasse auf eine Sonderschule versetzt. Nach der Hauptschule wechselte er auf eine Berufsschule, fühlte sich dort aber deplatziert und verließ sie nach kurzer Zeit wieder. Durch seine aggressiven Impulse isolierte er sich selbst von anderen und wurde als untauglich für den Militärdienst eingestuft.
    Seine Mutter nahm sich an seinem zwanzigsten Geburtstag das Leben und Haglund blieb ohne familiäre Bindungen zurück. Mit geerbtem Geld verließ er seinen Heimatort und zog nach Larvik, wo er sich eine Wohnung kaufte, die im ländlich geprägten Vorort Dolven lag.
    Durch das Arbeitsamt fand er einen Job in einem Möbellager. Er arbeitete gut und nach einer Probezeit wurde ihm eine feste Stelle angeboten, die er bei seiner Festnahme noch immer innehatte.
    Was seine Gefühle betraf, konnte er mitunter nur schwer zwischen Niedergeschlagenheit, Enttäuschung und Wut unterschieden. Die Wut konnte durch Kleinigkeiten hervorgerufen werden, wie zum Beispiel einen Schnürsenkel, den er nicht aufbekam.
    Er fühlte sich einsam, betrachtete sein Dasein aber nicht als leer. Er kam

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