Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagdhunde (German Edition)

Jagdhunde (German Edition)

Titel: Jagdhunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
Vom Netzwerk:
verschwand in einem staubgrauen Nebeldunst. An der Einfahrt zu den Ferienhütten tauchte ein Reh am Straßenrand auf. Es hatte den Kopf angehoben und die Ohren gespitzt. Wie angefroren stand es da und blickte Wisting mit großen braunen Augen nach. Plötzlich setzte es zum Sprung an und verschwand zwischen den Bäumen.
    Als er den Wagen abstellte, bereute Wisting, dass er nichts Essbares mitgenommen hatte, entschied sich aber, im Laufe des Tages einkaufen zu fahren. Ohnehin hatte er vor, Finn Haber aufzusuchen, der damals im Cecilia-Fall die Mannschaft der Kriminaltechniker angeführt hatte.
    Wisting rutschte auf den nassen Steinen aus, gewann sein Gleichgewicht aber schnell wieder. Die Luft war feucht und frisch und er überlegte, ob er vielleicht Feuer im Kamin machen sollte.
    Der Schlüssel ließ sich im Schloss nur widerstrebend umdrehen und Wisting beschloss, etwas zu kaufen, womit er das Schloss ölen könnte. Ohnehin gab es einiges zu tun. Die alten Fenster mussten gekittet oder ausgetauscht werden, am Dach waren neue Abschlussbretter erforderlich, und dann gab es noch zwei zerbrochene Dachziegel, die erneuert werden mussten. Eigentlich hätte er jetzt für die Reparaturen Zeit gehabt, dachte er. Ingrid hätte das sicher vorgeschlagen. Hätte gesagt, dass es gut für ihn wäre, die Arbeit hinter sich zu lassen und die Gedanken auf etwas anderes zu lenken.
    Doch die Falldokumente auf dem Tisch ließen ihn nicht los. Er warf seine Jacke auf einen Stuhl und setzte sich. Der aufgeschlagene Notizblock lag noch immer da. Er zog ihn zu sich heran und las, was er aufgeschrieben hatte. Für jeden anderen wären seine Aufzeichnungen nur verworrene Notizen gewesen. Stichwörter und Bruchstücke, die ihm beim Lesen eingefallen waren. Unterstrichene oder eingekreiste Namen, durch Pfeile und Striche miteinander verbunden. Aber die Aufzeichnungen hatten keinerlei Substanz.
    Wisting betrachtete die Ordner vor sich und überlegte, wie er nun vorgehen sollte. Der rote Ordner ragte im Vergleich zu den anderen ein Stückchen hervor. Mit dem Zeigefinder schob er ihn zurück, sodass alle Ordner exakt auf einer Linie standen. Ein gelber Post-it-Zettel markierte seinen bisherigen Fortschritt.
    Plötzlich überkam ihn ein seltsames Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht. Es war keine wirkliche Sinneswahrnehmung, sondern ein intuitives Gefühl, das Wisting einen Schauer über den Rücken jagte.
    Irgendjemand war in der Hütte gewesen.
    Er konnte nicht sagen, was ihn so sicher machte. Es war vielmehr das unbehagliche Gefühl, dass nicht alles so war wie am Abend zuvor, als er die Hütte verlassen hatte.
    Er stand auf, ging zur Tür und probierte noch einmal das Schloss aus. Von innen ließ sich der Knauf leicht herumdrehen, doch der von außen hineingesteckte Schlüssel bewegte sich nur träge.
    Wisting drehte sich um und ließ den Blick über die Landschaft gleiten. Karge Felsen und eine weite Grasebene. Das Meer schimmerte grau, im feuchten Dunst konnte er die vorgelagerten kleinen Inseln erahnen. Eine Möwe erhob sich von einem der Anlegepfosten. Ihr Schrei klang wie höhnisches Gelächter.
    Auf dem Terrassenboden konnte Wisting die feuchten Abdrücke seiner Schuhe erkennen, aber auch ein paar Lehmklumpen, die nicht von ihm stammten.
    Er trat an den Rand der breiten Eingangstreppe. Der Boden war völlig durchnässt und auf dem Rasen standen kleine Wasserpfützen.
    Von seinem Standort konnte er zwei Abdrücke im Matsch erkennen, die ein anderes Sohlenmuster als seine eigenen Schuhe hatten. Er lief zum Weg hinüber und ging in die Hocke. Die Abdrücke wiesen ein waffelförmiges Muster mit groben Zickzack-Linien an der Sohle auf, das von der Schuhmitte zum Absatz hin undeutlicher wurde. Die Abdrücke derber Stiefel.
    Die Spuren konnten nur wenige Stunden alt sein. Wisting fand seine eigenen Fußabdrücke vom Abend zuvor. Sie waren vom Regen stärker ausgewaschen.
    Er folgte den Spuren, um nachzusehen, ob sich vielleicht deutlichere Abdrücke fanden. Neben einer Pfütze entdeckte er einen. Hierauf war im Absatzbereich ein Kreis erkennbar. Im Innern des Kreises war etwas geschrieben. Wisting kniff die Augen zusammen und überlegte, ob es sich vielleicht um die Schuhgröße handelte, stellte aber schließlich fest, dass es ein Buchstabe war. Ein A.
    Mit diesem Abdruck konnte die Stiefelmarke identifiziert werden. Und die Länge verriet mit Sicherheit auch die Schuhgröße.
    Er zog sein Handy hervor und machte mehrere Bilder aus verschiedenen

Weitere Kostenlose Bücher