Jagdhunde (German Edition)
erstaunlich, wie gefasst und strukturiert er zuletzt gewirkt hatte.
Es gab zwei Dinge, die seine Rehabilitation bewirken konnten, dachte Line. Punkt eins war die Entlarvung desjenigen, der die Zigarettenkippe eingeschmuggelt hatte, und Punkt zwei das Aufspüren neuer Beweise im Cecilia-Fall. Beides wirkte wie eine hoffnungslose Aufgabe, zumindest für einen Mann allein.
Line beschloss, am nächsten Tag zu ihm zu fahren. Sie konnte ihm helfen und dabei gleichzeitig die Spuren Jonas Ravnebergs verfolgen. Denn er hatte eine Freundin gehabt und in Larvik gewohnt, bevor er nach Fredrikstad gezogen war.
Sie schrieb eine E-Mail an einen der Mitarbeiter in der Rechercheabteilung der Zeitung und fragte, ob es möglich sei, ihr einen Auszug aus dem Grundbuchamt sowie ehemalige Adressdaten aus dem Melderegister zu beschaffen.
Dann versuchte sie erneut, sich zu konzentrieren. Der Nachrichtenchef würde eine vollständige Reportage haben wollen, was dreitausendfünfhundert Zeichen bedeutete. Es war kein Problem, diesen Platz auszufüllen. Im Gegenteil. Sie musste versuchen, so viele Informationen wie möglich auf den kleinstmöglichen Platz zu konzentrieren. Das Ganze kurz und pointiert halten. Normalerweise gelang ihr das gut, doch jetzt drifteten die Gedanken in alle Richtungen ab.
Der Ermittler, der für die Befragung zu dem Überfall vor Jonas Ravnebergs Haus verantwortlich gewesen war, hatte sie darum gebeten anzurufen, falls ihr noch etwas einfallen sollte. Line wälzte sich im Bett herum und warf einen Blick auf das Modellauto. Elvis Presleys Cadillac.
Sie hatte seine Telefonnummer abgespeichert und rief ihn an.
Er meldete sich kurz angebunden und abweisend.
»Mir ist da etwas eingefallen«, sagte Line, nachdem sie ihren Namen genannt hatte. »Ich habe vor Jonas Ravnebergs Haus etwas gefunden.«
»Was denn?«
Line erhob sich vom Bett und ging zur Fensterbank hinüber.
»Ein kleines Auto. Erst dachte ich, es wäre ein Spielzeugauto, das vielleicht einem der Nachbarskinder gehörte«, sagte sie und tat so, als wüsste sie weniger, als es der Fall war. »Aber es sieht so aus, als ob es sich um ein wertvolles Modellauto handeln könnte. So etwas, das manche Leute sammeln. Es ist ziemlich alt und in gutem Zustand.«
»Ja, und?«
»Wissen Sie, ob Ravneberg vielleicht solche Autos gesammelt hat?«
Der Ermittler zögerte. »In seinem Wohnzimmer stehen einige davon herum«, sagte er.
»Haben Sie herausgefunden, was der Täter alles mitgenommen hat?«
»Haben Sie das Auto bei sich?«, fragte der Polizeibeamte, ohne auf Lines Frage einzugehen.
»Ja. Glauben Sie, dass er es vielleicht darauf abgesehen hatte?« Line zog den Vorhang vor und hob das Modellauto auf.
Der Mann am Telefon zögerte erneut. »Nein«, erwiderte er schließlich.
»Aber wissen Sie, weshalb er es dann mitgenommen hat?«
Der Polizeibeamte überhörte ihre Frage. »Hören Sie, ich komme vorbei und hole es ab. Wo sind Sie?«
Line gab den Namen des Hotels durch.
»Ich könnte in einer halben Stunde da sein.«
»In Ordnung, aber da gibt es noch etwas.«
»Ja?«
Line klappte den Kofferraumdeckel des Modellautos auf und zu. »Haben Sie mal die Post überprüft?«, fragte sie und ließ die Frage so offen wie möglich klingen.
»Die Post?«
»In unserer morgigen Ausgabe steht, dass Jonas Ravneberg zuletzt auf dem Platz am Eingang nach Gamlebyen gesehen wurde. Das stimmt doch, oder?«
»Doch, ja.«
»Da gibt es einen Briefkasten«, erläuterte Line. »Denken Sie, dass er da vielleicht was eingeworfen hat?«
Am anderen Ende der Leitung wurde es wieder still.
»Das sind doch alles pure Spekulationen«, gab der Polizeibeamte dann zurück. »Ich komme vorbei und hole das Modellauto.«
Nach Beendigung des Gesprächs legte sich Line wieder aufs Bett. Sie hatte sich gut geschlagen, wie sie fand. Die Art, wie sie es formuliert hatte, dass sie einen möglichen Beweisgegenstand mitgenommen hatte, war sehr geschickt gewesen. Und ohne den Anschein zu erwecken, dass sie hier einen Hinweis gab, hatte sie die Aufmerksamkeit auf den Briefkasten gelenkt. Aber wahrscheinlich war es sowieso schon zu spät. Die Post war vermutlich bereits verteilt und befand sich auf dem Weg zu den Empfängern.
Nach einer halben Stunde war sie fertig mit dem Artikel. Als sie alles Ablenkende beiseitegeschoben hatten, war es viel leichter gegangen.
Line zog sich ihre Hose an, legte die Bettdecke ordentlich an ihren Platz und hoffte, dass der Polizist bald kommen würde. Sie
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