Jagdopfer
neben der Kreisstraße hing. Die ins Holz gebrannten Buchstaben meldeten:
Ote Keeley Ausrüster-Dienste
Geführte Jagden
Wapiti - Rotwild - Pronghorn - Elch
Seit 1996
Das Kiefernblockhaus der Keeleys wirkte heruntergekommen. Das Dach hing in der Mitte etwas durch, und seine einst dunkelgrünen Holzschindeln waren inzwischen grau und verwittert und hatten in der Feuchtigkeit an vielen Stellen Moos angesetzt. An einer Seite sackte das Haus zu einer kleinen Senke hin ab, in der ein verrosteter Jeep aus den 40ern stand, ein Pferdeanhänger, ein Geräteschuppen und ein gelber Subaru Kombi. Über der Haus- und der Schuppentür hingen Geweihe. Joe machte seinen Pick-up aus, saß bei offenem Fenster und lauschte. Über dem Haus lag die schwere, feuchte Stille des Flusses, und Joe glaubte sich eher am Unterlauf des Mississippi als in den Rocky Mountains. In den Bäumen hingen Querbalken - Ote hatte also erlegtes Wild in seinem Hof aufgehängt.
Am frühen Morgen hatte Joe auf dem Weg flussaufwärts zu Keeleys Haus ein paar Angler kontrolliert. Er hatte einem Landarbeiter aus der Gegend, der in einem Flussabschnitt, in dem nur künstliche Köder verwendet werden durften, Würmer benutzt hatte, einen Strafzettel verpasst. Danach hatte Joe zwei umherziehende Hispanics angezeigt, die ohne jede Erlaubnis geangelt hatten. Bevor er am Morgen aufgebrochen war, hatte er in der Zentrale in Cheyenne angerufen, um mit Les Etbauer zu sprechen, dem Beamten, der ihm vor ein paar Tagen die Vorladung geschickt hatte. Etbauer war stellvertretender Leiter der Jagd- und Fischereibehörde, und er war so früh noch nicht in seinem Büro. Also hatte Joe ihm die Nachricht hinterlassen, er werde am Nachmittag zur Anhörung bei ihm erscheinen.
Auf dem Weg zur Haustür ging Joe am gelben Kombi vorbei und warf einen kurzen Blick in den Wagen. Er sah
einen Kindersitz. Auf der Rückbank und dem Boden des Autos lagen überall Hamburgerschachteln, Plastikspielzeug und Kinderbücher herum.
Das unverwechselbare Geräusch, mit dem eine Schrotflinte durchgeladen wird, ließ Joe im Gehen erstarren. Er vergewisserte sich, wo sich seine Hand im Verhältnis zu seinem Pistolenhalfter befand - Verdammt! Schon wieder unbewaffnet! -, und hob langsam beide Arme seitlich vom Körper weg, damit kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass er nicht nach einer Waffe griff.
Jeannie Keeley, Otes Witwe, stand in der offenen Haustür und zielte mit einem Gewehr auf seine Brust. Sie trug eine Art Uniformkittel und verwaschene Jeans.
Mit gedämpfter Stimme sagte Joe, wer er sei und dass er ihr gern seinen Ausweis zeigen könne.
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte sie. »Sie haben mich beim Begräbnis angequatscht.«
»Dann würde ich vorschlagen, dass Sie die Schrotflinte gut wegpacken«, sagte Joe. »Ich hab nicht mal meine Waffe dabei.« Er sprach leise, aber sehr bestimmt. Jeannie Keeley zuckte die Achseln, trat ins Haus zurück und tat das Gewehr ins Gestell neben der Tür.
»Bedaure«, sagte sie, aber nach einer Entschuldigung klang das nicht. »Normalerweise bin ich tagsüber nicht zu Hause. Also hab ich nicht damit gerechnet, dass jemand auftaucht. Ich hab hier ein krankes Kind, und seit Otes Tod bin ich ein bisschen nervös.«
»Verstehe.« Joe stand kerzengerade da, atmete ein paar Mal tief durch und entspannte seine Muskeln. Er beschloss, ihr nicht zu sagen, dass er sie verhaften konnte, weil sie eine Waffe auf ihn gerichtet hatte, denn er schätzte, das wäre sinnlos. Wie früher schon Ote,
schien jetzt Jeannie fähig, sich Joe gegenüber sehr leicht einen Vorteil zu verschaffen. Er sagte, er würde ihr gern ein paar Fragen über Ote stellen.
Wie sie da im Hauseingang steht, versucht sie, hart zu wirken, dachte Joe. Ihre unangezündete Zigarette wippte auf und ab, während sie anscheinend über seine Bitte und über Joe selbst nachdachte. Sie nahm sich vor ihm in Acht. Er las den Namen, der auf ihren Kittel gestickt war. Sie war Kellnerin bei Burg-O-Pardner in Saddlestring. Das war ein Restaurant, in dem es mittags nur gebratene Stierhoden - die so genannten Rocky-Mountains-Austern - und Hamburger gab, deren Fleisch ein volles Pfund wog.
»Ich lad Sie besser nicht ins Haus ein«, sagte sie. »Ich hab hier ein krankes Kind. Und es ist ziemlich klein. Das Haus, meine ich.«
»Ich bleib gern hier draußen.«
Aus dem Dunkel des Hauses rief ein kleines Mädchen nach seiner Mutter. Jeannie schaute kurz über die Schulter und sah dann wieder Joe an.
»Oh, Mann«,
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