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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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und seine Bewohner waren verrückt.

    »Ote wollte Ihnen irgendwas geben, um die Sache in Ordnung zu bringen. Haben Sie’s bekommen?«, fragte sie.
    Joe hatte sein Glas schon fast an den Lippen und hielt inne.
    »Er hat gesagt, er habe da was. Wenn Sie das erst mal gesehen hätten, würden Sie alle Anschuldigungen gegen ihn fallenlassen, und er bekäme seine Lizenz zurück. Hat er Ihnen das gegeben?«
    »Nein. Hat Ote Ihnen gesagt, was es war?«
    »Irgendwas, was er und seine Kumpel gefunden haben. Irgendein Tier.«
    »Was für ein Tier?«
    Sie zögerte kurz und verzog das Gesicht. Aus dem Kinderzimmer rief das kleine Mädchen: »Mama!«
    »Halt die Schnauze!«, brüllte Jeannie Keeley, ohne auch nur hinzusehen, und es war still.
    »Was für ein Tier?«
    »Ich kann mich nicht genau erinnern. Wir haben jedenfalls darüber gelacht. Es hieß wie mein Sportlehrer in der Oberstufe. Das weiß ich noch.«
    »Und wie hieß der?«
    »Mr Merle Miller. Killer Miller haben wir den genannt.«
    »War es …« - Joe zögerte und kramte in seinem Gedächtnis - »War es ein Miller-Wiesel?« Er erinnerte sich dunkel an diesen Namen, den er mal in einem Biologieseminar gehört hatte. Er wusste nur noch, dass diese Art in den westlichen Rocky Mountains beheimatet und seit mindestens hundert Jahren ausgestorben war.
    »Schon möglich«, sagte Jeannie. »Hört sich bekannt an.«

    »Hat er Ihnen sonst noch was darüber erzählt?«
    Sie zog ein Streichholzbriefchen aus dem Kittel, zündete die Zigarette an, die sie in den Aschenbecher gelegt hatte, und nahm einen tiefen Zug. »Ich halt’s nicht aus«, murmelte sie. »Seit dem Frühstück hab ich keine mehr geraucht. Ich muss endlich damit aufhören. Ote wäre stocksauer, wenn er das sehen würde.« Also hatte sie schon die ganze Zeit geraucht.
    »Hat er Ihnen sonst noch irgendwas über das Miller-Wiesel erzählt?«, fragte Joe wieder, diesmal lauter.
    »Ote hat mir nie was erzählt«, sagte sie kategorisch.
     
    Als Joe wieder aus dem Wäldchen kam und durchs Salbeigebüsch fuhr, das in der gleißenden Sonne lag, ließen ihn drei Dinge nicht los. Erstens das, was Jeannie über das Tier gesagt hatte, das Ote ihm hatte bringen wollen. Zweitens Jeannies aufgelöste, fast verstörte Miene, als sie ihm von Ote erzählte. Schließlich der Gesichtsausdruck ihrer Kinder - den hatte Joe schon früher gesehen, aber nur bei Haustieren. Es war Maxines Ausdruck, der Labradorblick. Und der sagte: Bitte schlag mich, wenn du dich dann besser fühlst.
    Das eintönige Knirschen des Schotters hörte plötzlich auf, als die Reifen den glatten Asphalt der Landstraße erreichten. Joe trat aufs Gaspedal, und der Motor heulte auf. Zwei parallele Staubspuren folgten ihm auf dem schwarzen Belag. Joe konnte gar nicht schnell genug von dort wegkommen.
    Er fuhr nicht nach Saddlestring, sondern bog Richtung Autobahn ab. Bis Cheyenne wäre er sechs Stunden unterwegs.
    Damit die Leute in Wyoming jagen und fischen dürfen,
überlegte Joe, müssen sie Genehmigungen kaufen. Und in einigen Fällen Prüfungen ablegen, um nachzuweisen, dass sie den Umgang mit Schusswaffen beherrschen und die Vorschriften der Wild- und Fischbehörde kennen. Doch um Kinder zu haben, brauchen sie nichts Vergleichbares.

20
    Kaum hatte er die Jagd- und Fischereibehörde in Cheyenne betreten, sich als Joe Pickett vorgestellt und gesagt, er habe einen Termin bei Les Etbauer, veränderte sich die Atmosphäre. Die Frau an der Rezeption sah ihn misstrauisch an und schob sich im Bürostuhl vom Empfangstresen zurück, als habe Joe eine ansteckende Krankheit. Er bemerkte, dass zwei junge Sachbearbeiterinnen für Jagd- und Angelgenehmigungen ihn kurz ins Visier nahmen, als sie seinen Namen hörten, und sich dann schnell wieder ihren Computerbildschirmen zuwandten, als läsen sie gerade die aufregendsten E-Mails, die sie je bekommen hatten. Die Frau vom Empfang wies Joe einen langen Flur entlang. Er solle dort hinten auf dem Plastikstuhl Platz nehmen. Der befand sich neben einer Tür, auf deren Milchglasscheibe »Lesley Etbauer. Stellvertretender Amtsleiter« stand.
    Joe nahm den Hut ab und setzte sich. Viel gab’s hier nicht zu sehen. Das weitläufige Betongebäude stammte aus den frühen 6oern. Die Wände waren behördengelb gestrichen, und an den Decken leuchteten Neonröhren. Der Flur war eng, der Linoleumboden - schwarz-weißes
Schachbrettmuster - zerkratzt. Einer dieser Korridore, in denen die Absätze überlaut widerhallen. Nicht, dass noch viele

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