Jagdopfer
näselnder Stimme. Er saß hinter seinem Schreibtisch und las Joes Bericht vor. Als er damit fertig war, schlug er die Abschnitte der Dienstvorschrift auf, die sich auf von der Behörde ausgegebene Schusswaffen bezogen, und las sie ebenfalls laut vor. Joe hoffte inständig, Etbauer möge
nicht bemerken, dass er seine Waffe schon wieder nicht trug. Und ihn nicht fragen, warum.
Etbauer hatte ein breites, gerötetes Trinkergesicht, trug eine starke graue Brille und bekam eine Glatze. Er redete weniger mit als zu Joe. Seine Stimme zitterte etwas, und er sprach einige Worte falsch aus. Als würde er eine Rede vom Blatt ablesen, auf die er zuvor keinen Blick geworfen hatte.
Joe wusste nicht viel von Etbauer, hatte aber einiges über ihn gehört. Laut Wacey war er direkt aus der Militärverwaltung in diese Behörde gekommen, hatte also immer nur in einer Amtsstube gesessen. Wacey hatte Etbauer als »den Beamten in höchster Vollendung« bezeichnet, der sein Gehalt noch nie anderswo als bei einer Bundesbehörde oder einem Amt des Staates Wyoming verdient habe. Etbauer hatte es auf typisch bürokratische Weise zu seinem jetzigen Posten gebracht - indem er sich bei betriebsinternen Stellenausschreibungen hocharbeitete. Er hatte einfach seine Zeit im Büro abgesessen und war immer dann aufgestiegen, wenn ein Vorgesetzter eine andere Stelle angetreten hatte oder pensioniert worden war. Während Beamte als Angestellte in die Privatwirtschaft wechselten oder eine eigene Firma aufzogen, bekamen Bürokraten wie Etbauer - die kein Unternehmer je einstellen würde - einfach immer mehr Macht und immer höhere Posten. Solche Leute waren die Krebsgeschwüre in den Behörden, saßen immer fester im Sattel und lebten dicken Pensionen entgegen.
Joe hatte Worte immer als begrenztes Kapital betrachtet, und er glaubte an Ersparnisse. Er wollte nicht viele Worte machen, sie nicht verschwenden. Sie waren für ihn wie Geldstücke - Kapital, das man umsichtig verwenden
sollte. Joe hielt manchmal lange inne, bis er die richtigen Worte gefunden hatte, um genau auszudrücken, was er sagen wollte. Manchmal verwirrte das die Leute - Marybeth fürchtete, sie könnten ihn für begriffsstutzig halten -, aber damit konnte Joe leben. Darum verachtete er Besprechungen, bei denen die Teilnehmer sich aufführten, als würden sie nach der Anzahl ihrer Worte bezahlt, während die doch - als Folge dieser Einstellung - von Minute zu Minute wertloser wurden, bis sie gar nichts mehr bedeuteten. Nach Joes Erfahrung hatte der, der am meisten redete, sehr oft am wenigsten zu sagen. Manchmal wünschte er, jedem Menschen wäre nur eine bestimmte Menge Wörter zugeteilt. Und wer sein Kontingent ausgeschöpft hätte, wäre zum Schweigen gezwungen. Wenn das so wäre, hätte Joe noch mehr als genug Wörter auf seinem Konto, während Leute wie Les Etbauer sehr still sein würden. Joe hatte Besprechungen erlebt, bei denen nichts erreicht worden war und nur Wörter wahllos und flüchtig durch den Raum geschwirrt waren. Wie Streufeuer aus Maschinengewehren. Was für eine Verschwendung von Worten, dachte er oft. Von Kapital. Von Munition.
Joe bemerkte, dass der Redeschwall jetzt doch zu Ende war, und fuhr aus seinen Gedanken hoch. Etbauer starrte ihn schon seit ein paar Sekunden an.
»Ich habe gefragt …« - er war deutlich verärgert, dass Joe ihm nicht zugehört hatte - »… wie so was passieren konnte.«
»Leichter, als Sie vermutlich denken«, erwiderte Joe scharf.
Etbauer kniff verächtlich die Augen zusammen. Das war nicht die Antwort, auf die er gewartet hatte.
»Ich war gerade dabei, die Anzeige zu schreiben«,
sagte Joe. »Sie liegt dem Bericht bei. In der einen Hand hatte ich das Klemmbrett mit dem Formular, in der anderen einen Kugelschreiber. Ich gebe zu, dass ich nicht auf Keeleys Verhalten vorbereitet war. Und ich bedaure, dass das passiert ist. Und es ist mein Fehler, dass ich nicht reagiert habe.«
»Aber er hat Ihnen Ihre Waffe abgenommen«, sagte Etbauer, als könnte er durch diese Wiederholung seinen Standpunkt untermauern. »Er hat sie Ihnen abgenommen, und Sie standen einfach nur da.« Etbauer sagte das ungläubig, als könnte er sich nicht vorstellen, dass noch jemand so blöd sein könnte wie Joe Pickett.
Der stand völlig überraschend auf, griff über den Schreibtisch, pflückte Etbauers Namensschild von der Hemdtasche und setzte sich wieder. Etbauer sah ihn mit aufgerissenen Augen und einem Anflug von Panik an.
»Verstehen Sie, was ich
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