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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Angestellte im Haus gewesen wären - die meisten Türen zum Flur waren geschlossen, und durch ihre Scheiben war kein Licht in den Büros zu sehen. Im Vorbeigehen hatte Joe die Namen vieler seiner Vorgesetzten an den Türen gelesen, aber sie hatten anscheinend schon alle Feierabend gemacht. Während er dasaß und auf Les Etbauer wartete, wurde Joe bewusst, dass er sich fühlte, als sei er wieder in der Grundschule und zum Direktor geschickt worden. Wie die meisten Jagdaufseher hatte Joe möglichst wenig Zeit in diesem Gebäude verbracht. Hier saßen die Bürokraten, hier wurde Politik gemacht, hier wurden Vorschriften erstellt. Hier traf sich der Leiter der Behörde mit dem Gouverneur und - in den Sitzungsperioden des Parlaments von Wyoming - mit einzelnen Abgeordneten. Hier wurden Gesetze und Verordnungen ausgehandelt und Zugeständnisse gemacht. Hierher stürmten Jäger, Angler, Grundbesitzer und Umweltschützer, wenn sich die Dinge nicht gemäß ihren Interessen entwickelten, kamen allerdings meist nur bis zur Rezeption. Von hier stammten all die schlauen Drucksachen zu Überstunden und Quittungsbelegen. Und hier kannte man Joe - doch er kannte die Leute hier ganz und gar nicht.
    Auf der langen Fahrt nach Cheyenne hatte Joe viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Er hatte sich nicht nur überlegt, wohin ihn die Untersuchung der Morde an den Ausrüstern zu führen schien. Er hatte auch darüber nachgedacht, was Vern in der Bar gesagt hatte. Zum ersten Mal seit Ote Keeleys Tod hatte Joe Zeit gehabt, das zusammenzusetzen, was er in Erfahrung gebracht hatte.
Die Schlüsse, zu denen er dabei gekommen war, beunruhigten ihn.
    Ein Mann mit offenem Kragen und kurzärmligem Hemd, das über dem feisten Bauch spannte, näherte sich von einem Büro am anderen Ende des Flurs. Joe schaute zu ihm hoch, als er vorbeiging. Der Mann hielt vorsichtig an und drehte sich um.
    »Sie sind Joe Pickett?«
    Er nickte.
    Der Mann schaute den Korridor hoch und runter, um sich zu vergewissern, dass niemand kam.
    »Ich will Ihnen nur sagen, dass eine Menge Leute hier denken, Sie werden abgezockt.«
    »Wirklich?« Joe war nicht klar gewesen, dass er in der Behörde Diskussionsthema war, obwohl das Verhalten der beiden Sachbearbeiterinnen hinterm Empfangstresen darauf hingedeutet hatte.
    Der Mann trat zögernd einen Schritt heran und beugte sich zu Joe vor. »Wir hoffen, Sie nehmen den Kampf auf und bringen die ganze Sache bis vor den Gouverneur. Diese verdammte Filzokratie dauert schon lange genug.«
    Joe war verwirrt. »Sie wissen vermutlich viel mehr darüber, was gleich passiert, als ich.«
    Der Mann schnaubte kurz, und ein selbstgefälliges Grinsen huschte über sein Gesicht. »Was glauben Sie wohl, warum man Sie für Freitagnachmittag um vier vorgeladen hat? Weil das Ganze schon entschieden ist! Und wenn Sie sauer werden und protestieren wollen, ist niemand mehr da, an den sie sich wenden könnten.«
    »Was …«, begann Joe, doch der Mann wandte sich schnell auf dem Absatz um und ging weiter den Flur entlang. Die Frau vom Empfang war wieder aufgetaucht.

    Er würde suspendiert werden. Es war einfach nur eine Frage der Zeit, bis Etbauer diese Worte ausspräche. Der hat jetzt schon viel geredet, dachte Joe, aber das fehlt noch. Er saß da und hörte zu. Sein Mund war trocken, seine Hände verschwitzt. Er konnte nicht wirklich glauben, was passierte, obwohl er doch dabei war. In seiner Laufbahn hatte er vorher nie eine mündliche oder schriftliche Verwarnung bekommen. Bis auf das eine Mal, als er den neuen Gouverneur wegen Angelns ohne Genehmigung festgenommen hatte. Die Beurteilung seiner Leistungen war immer einwandfrei, wenn nicht ausgezeichnet gewesen. Er hatte seine Arbeit gut gemacht, dachte Joe - so gut er konnte und den Vorschriften entsprechend. Er hatte sich sehr bemüht, ehrlich und gerecht zu sein, und es sich nie leicht gemacht, sondern immer hart gearbeitet. Er hatte stets viel länger geschuftet, als von ihm verlangt wurde, und nie beantragt, Überstunden abzubummeln oder bezahlt zu bekommen. Er trickste nie bei den Kostenberichten. Er hatte den Vorfall mit Ote Keeley gemeldet, weil das den Vorschriften entsprach, und nicht mal geahnt, dass diese Sache mit mehr als schlimmstens einem leichten Tadel enden würde. Schließlich hatte er seine Waffe zurückbekommen und Ote bei einem wasserdichten Fall von Wilderei erwischt.
    Aber er würde suspendiert werden. Joe fühlte sich wie gelähmt.
    Etbauer redete und redete mit schwacher,

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