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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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abgeschlossen war, und rief bei Marybeth in Eagle Mountain an. Er fühlte sich noch immer eigenartig ruhig, hatte aber das starke Bedürfnis, mit seiner Frau zu sprechen. Er wollte wissen, wie sie über das dachte, was eben geschehen war. Als sie den Hörer abnahm, fragte er, wie es ihr bei den Kensingers gefalle.
    »Oh, es ist nett«, sagte sie, aber Joe hörte ihr an, dass sie begeistert war. »Fünf Schlafzimmer, vier Badezimmer, eine wunderschöne Terrasse mit Blick über den Twelve Sleep River, ein Whirlpool. Die Küche ist so groß wie unser Haus, das Esszimmer so riesig wie ein Stadion. Die Wandschränke sind richtige Garderoben - man kann in jeden reingehen. Und in den Kühlschrank auch - eine
richtige Kältekammer. Die Küche hat einen Frühstückstresen, so mit Barhockern. Und es gibt drei offene Kamine, einen davon im großen Schlafzimmer. Mom und Lucy sind total begeistert. Sie gehen gerade mit Maxine und dem Hund der Kensingers um den Golfplatz.«
    Joe fühlte sich gleich besser, als er ihre Stimme hörte. Nach dem, was er gerade erlebt hatte, brauchte er das.
    »Und was ist mit Sheridan? Gefällt’s ihr auch?«
    Marybeth zögerte kurz. »Ich bin mir nicht sicher. Aus irgendeinem Grund scheint sie nicht so begeistert. Sie hat nichts zu Mittag gegessen und wollte nicht mit Mom raus. Sie sitzt einfach nur im Wohnzimmer und starrt aus dem Fenster.«
    »Liegt das nur an der ungewohnten Umgebung?« Joe dachte daran, wie oft sie mit ihr in den letzten Jahren umgezogen waren. Sheridan hatte die Beständigkeit und den Alltagstrott im Haus in der Bighorn Road offensichtlich genossen. Vielleicht dachte sie jetzt, sie würden schon wieder umziehen.
    »Das hoff ich«, sagte Marybeth. »Nicht, dass sie krank wird.«
    Joe sah das genauso. Dann sagte er es. »Marybeth, ich bin ab Dienstag suspendiert, ohne Gehalt, weil Ote Keeley mir meine Waffe abgenommen hat. Und man verdächtigt mich, irgendwas mit den Morden an den Ausrüstern zu tun zu haben.«
    Marybeth schnappte nach Luft. »Mein Gott, Joe!«
    Er schwieg, und Marybeth schwieg auch. Schließlich fragte er, ob sie noch am Apparat sei.
    »Joe, was hat das zu bedeuten?«
    »Zweierlei, glaube ich«, sagte er mit so viel Zuversicht, wie er aufbringen konnte. »Erstens wollen mich
ein paar verdammt einflussreiche Leute loswerden. Zweitens sieht’s so aus, als telefonierst du gerade mit dem neuesten Mitarbeiter von InterWest Resources.«
    »Bist du sicher?«, fragte sie. »Joe, willst du da wirklich arbeiten?« Ihre Besorgnis war aufrichtig, und dafür hätte er sie am liebsten durchs Telefon umarmt.
    »Ich seh nicht viele Alternativen. Ich muss eine Familie ernähren.«
    »Und das Haus?«
    »Wir können dort wohnen, bis über meinen Widerspruch entschieden ist. Wenn wir ihn überhaupt einlegen.«
    »Joe …«
    »Ich hab noch drei Tage, bevor ich offiziell abgelöst werde«, unterbrach er sie. »Bis dahin will ich ein paar Dinge verfolgen, über die ich auf der Fahrt hierher nachgedacht habe. Dann teil ich Vern die Entscheidung mit. Einverstanden?«
    »Sicher.«
    »Ich bin heute Abend zurück. Aber geh ruhig schlafen.«
    »Ich liebe dich, Joe Pickett«, sagte Marybeth.
    »Ich liebe dich auch.«
     
    Joe ging die Treppe runter in die Abteilung für Zoologie. Er kam erst an einem schon verlassenen Schreibtisch, dann an einem Labyrinth kleiner Zimmer vorbei, in denen jede Menge Laborgeräte auf den Tischen standen. Es stank nach nassem Fell, nassen Federn und starkem Desinfektionsmittel. Und ohne Fenster war es hier unten reichlich dunkel. Der leere Korridor schien das Geräusch seiner Stiefel zu verstärken. Er ging den Flur entlang und
suchte nach jemandem, der vielleicht noch bei der Arbeit war.
    Eine Frau kam mit über den Arm gelegter Jacke und Handtasche aus ihrem Zimmer, und Joe wusste sofort, wer sie war. Sie hatte dieses gehetzte Aussehen eines Menschen, der gerade losspurten will, um seine Kinder aus dem Hort abzuholen.
    »Am Freitag so spät noch an der Arbeit?«, fragte Joe lächelnd.
    »Es ist später, als mir lieb ist.« Sie sah ihn an und wunderte sich offensichtlich, was er hier unten tat. »Suchen Sie was? Kann ich Ihnen helfen? Ich hab’s etwas eilig.«
    Er erkannte ihre Stimme.
    »Ich bin Joe Pickett. Ich glaube, wir haben neulich miteinander telefoniert.«
    Ihre schmerzliche Miene bestätigte das.
    »Tut mir leid, dass ich Sie aufhalte, da Sie so in Eile sind. Also komm ich gleich zur Sache«, sagte Joe. »Ich weiß zu schätzen, was Sie getan haben.

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