Jagdrevier: Thriller
Ollie sah erst die Tasche, dann seinen Deputy an.
Sie öffneten den Reißverschluss. In der Tasche lag eine dazu passende Geldbörse. Ollie holte tief Luft und machte sie auf. Elizabeth Beasleys Führerschein steckte darin. Er schaltete seine Taschenlampe aus, seufzte frustriert und warf einen langen Blick hinauf zu den Sternen.
»Das sieht nicht gut aus, Boss«, sagte R.C.
»Was du nicht sagst, Sherlock.«
Dreißig
»Hey, Dickerchen. Ich brauche eine Pause«, raunte Jake. Vorsichtig stellte er Katy auf den Boden.
Jake verlor langsam jedes Gefühl im linken Arm. Bis jetzt hatte er nur etwa eine halbe Meile geschafft, doch er hatte Hindernisse umgehen und über Baumstämme steigen müssen. Nun machte sich bemerkbar, dass er viel zu viel Zeit am Schreibtisch verbrachte, aber keine im Fitnessstudio. Ein paarmal die Woche joggte er. Zumindest versuchte er es, und in manchen Wochen gelang ihm das auch. Doch meist war er viel zu beschäftigt und Joggen stand ganz unten auf der Liste. Außerdem aß er zu viele Krispy Kremes. Kohlehydrate und Kalorien zählte Jake nie. Daran wurde er nun bei jedem Schritt mit Katy auf dem Arm erinnert.
»O Dad. Es ist nass!«, jammerte Katy. Sie stand in Socken auf einem Bein.
Jake wühlte in der Jagdweste nach der schwarzen Plastiktüte, die er immer dabei hatte, aber nie benutzte. Er faltete sie auf und legte sie auf den Boden. Katy stellte sich darauf. Warum er das Ding irgendwann eingesteckt oder überhaupt in der Weste behalten hatte, wusste er nicht mehr. Eigentlich war es immer nur im Weg.
»Meine Beine sind auch pitschnass.« Er sah zu, wie sie sich im Schneidersitz auf der Plastiktüte niederließ.
»Ja. Aber du bist daran gewöhnt«, gab Katy zurück.
»Du kannst dir meine Handschuhe über die Füße ziehen. Lach nicht; die sind wenigstens trocken.«
Katy sah ihn erst an, als wäre er übergeschnappt. Dann sagte sie: »Klar. Gib her.«
Jake fischte ein paar dünne Baumwollhandschuhe mit langen Bünden aus der Jagdweste. Sie ließen sich problemlos über Katys Füße ziehen und passten sogar ganz gut. Nur die Finger baumelten seltsam herum. Katy kicherte. Sie war froh, wieder trockene, warme Füße zu haben.
»Wir müssen aufpassen, dass sie nicht nass werden. Andere habe ich nicht.«
»Ja, Sir.« Katy wackelte mit den Zehen.
Jake drückte einen Knopf an seiner Timex. Sie leuchtete auf wie ein Glühwürmchen.
Noch über drei Stunden, bis es hell wird. Verdammt! Wenn ich aus dem Schlamassel noch einmal rauskomme, wechsle ich zu Golf.
Kein Mensch raubte ein Golfclubhaus aus und jagte dann die Golfspieler die ganze Nacht lang quer über den Platz. Oder er würde sich ernsthaft mit dem Angeln befassen. Jake schüttelte den Kopf.
Ich muss mich konzentrieren. Ich muss uns hier rausbringen.
»Okay, Katy. Ich denke, wir haben noch eine halbe Meile bis zum Wildacker. Kann ich dich Huckepack nehmen?«
»Klar. Wie damals bei Disney World.«
»Dann los«, flüsterte Jake. Er beugte sich vornüber und ließ sie auf seinen Rücken klettern. Vor zwei Jahren hatte er Katy meilenweit so herumgetragen, damit sie alles sehen konnte. Dann würde er es wohl erst recht schaffen, wenn es darum ging, ihr Leben zu retten.
Plötzlich richteten sich sämtliche Härchen in Jakes Nacken auf. Er hatte aus westlicher Richtung einen panischen Schrei gehört. Schauer liefen ihm über den Rücken. Eine Frau schrie um ihr Leben – wieder und immer wieder. Katy klammerte sich instinktiv fester um seinen Hals. Auch das machte Jake Angst. Es erinnerte ihn an seinen immer wiederkehrenden Albtraum.
»Was ist das?«, flüsterte Katy laut.
Jake horchte. »Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher. Oder vielmehr, ich glaube, da schreit ein Mädchen.«
»Aber warum schreit sie so? Wer ist das?«, fragte Katy aufgeregt.
Die Schreie brachen plötzlich ab. Jake starrte noch eine Weile in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Keine Ahnung, Süße. Ich weiß es wirklich nicht.«
Der nächste Schrei klang erstickt, war aber immer noch voller Entsetzen. Wer immer da schrie, stand Todesängste aus. Jake beugte sich vornüber, hob das Gewehr auf und ging, so schnell es mit Katy auf dem Rücken ging, in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Er musste helfen.
»Halt dich fest, Katy, und sei still«, flüsterte er über die Schulter hinweg. Mit der einen Hand umklammerte er ihre Arme, mit denen sie seinen Hals umschlang, mit der anderen das Gewehr. Er beschloss es ohne Taschenlampe zu versuchen,
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