Jagdrevier: Thriller
gehört zu haben. Durch das viele Jagen war sein Gehör nicht besser geworden. Das galt besonders für sein rechtes Ohr. Er drehte sich zu dem Geräusch um.
»Pssst«, flüsterte er den Mädchen zu.
Da war es wieder – ein hohes Piepsen. Jake nahm an, dass es von einem Funktelefon stammte.
Ist das der Sheriff? Ist es diePolizei oder sind es die verdammten Verrückten? SHIT!
Wieder packte ihn die Angst. Angestrengt horchte er in die Nacht. Plötzlich piepte es erneut. Vielleicht zweihundert Meter entfernt auf der anderen Seite des Kahlschlags. Wer immer das Geräusch verursachte, er verfolgte ihn und die Mädchen. Und war ihnen dicht auf den Fersen.
»Kommt weiter, Mädchen. Von jetzt an müssen wir besonders leise sein«, flüsterte er ihnen beschwörend direkt ins Ohr. Was er gehört hatte, sagte er ihnen nicht. Er wollte sie so wenig wie möglich belasten.
Katy klammerte sich mit aller Kraft an ihm fest und Jake behielt das Kissen immer im Auge. Er musste Elizabeth zur Eile drängen, damit sie zügiger vorankamen. Aber sie gab bereits alles. Die Krücke erleichterte ihr das Vorankommen beträchtlich, sobald sie einmal den Rhythmus gefunden hatte. Und Jake überlegte sich jeden Schritt genau, damit sie möglichst wenig Spuren hinterließen.
Fünfzig
Deputy Lewis Washington gehörte erst seit sechs Monaten zur Mannschaft des Sheriffs und war sicher, dass dieses Ereignis seiner noch jungen Karriere auf die Sprünge helfen würde. Immer wieder warf er einen Blick nach hinten auf die Frau. Er bemühte sich, den Wagen in der Straßenmitte zu halten, als er Richtung Livingston raste. Blaulicht und Sirene ließen das Adrenalin durch seine Adern jagen. Während er ins Funkmikrofon sprach, streifte er beinahe einen Briefkasten. Er versuchte ruhiger zu werden und zu analysieren, was gerade geschehen war. Er würde es seinen Vorgesetzten erklären müssen – vielleicht sogar der Presse. Man würde ihn als Held feiern.
Seinen Auftrag hatte Lewis nicht hundertprozentig verstanden. Anstatt zweihundert Meter vom Wohntrailer entfernt zu parken und ihn im Auge zu behalten, war er direkt bis zur Tür gefahren. Beim langsamen Wenden in der Einfahrt hatten die Scheinwerfer das Grundstück beleuchtet.
Sieht aus, als würde hier weißer Abschaum hausen,
dachte Lewis. Um einen Mast auf dem Platz vor dem Wohntrailer stapelten sich alte Reifen. An der Stange hing die Südstaatenflagge.
Ein Schwarzer würde diese Fahne niemals hissen.
Beim Zurücksetzen nahm er eine Bewegung wahr. Er richtete den Suchscheinwerfer auf die Stelle. Unter einer ausladenden Eiche stand eine halbnackte Frau. Ihre Augen und ihr Mund waren mit Klebeband zugepappt, ihre Hände auf den Rücken gefesselt. Er fuhr mit dem Streifenwagen direkt bis zu ihr. Mitgezückter Waffe sprang er aus dem Fahrzeug. Fieberhaft suchte er mit den Augen in den Schatten nach einer weiteren Person.
Die Frau floh vor dem Geräusch des sich nähernden Wagens. Lewis holte sie ein, packte sie und hielt sie fest, obwohl sie sich heftig wehrte. Ein paarmal hintereinander sagte er ihr schnell, wer er war. Dann brach sie in seinen Armen zusammen.
Lewis wollte nur weg. Er war verunsichert und rechnete damit, dass jeden Moment die Hölle losbrechen würde. Nachdem er die ohnmächtige Frau auf den Rücksitz gelegt hatte, sprang er auf den Fahrersitz, verriegelte die Türen und legte den Rückwärtsgang ein. Sobald er den Asphalt erreicht hatte, gab er Gas und jagte mit qualmenden Reifen Richtung Livingston.
Sheriff Marlow per Funk zu informieren war sein erster Gedanke. Er tat es und merkte deutlich, wie zufrieden Marlow über die Neuigkeiten war. Das Triumphgefühl ließ Lewis noch schneller fahren – auf ihn warteten Ruhm und Ehre.
Als Lewis die Brücke über die I-20 überquerte, hatte er seine Geschichte und auch seine zukünftige Karriere bereits klar im Kopf.
Wenn Sheriff Marlow sich zur Ruhe setzt, werde ich zum Sheriff gewählt und das County gehört mir. Nach einer Amtsperiode wechsle ich dann zum FBI. Dies ist in der Tat eine große Nacht für Deputy Lewis Washington, den Gesetzeshüter der Sonderklasse.
Einundfünfzig
Auf dem Weg zum Krankenhaus lehnte Ollie sich entspannt zurück. Er war erleichtert und die Anspannung wich aus seinem Körper. Er hatte ein wirklich scheußliches Szenario befürchtet. Ein vermisstes und dann ermordetes junges Mädchen wäre einerseits für die Region eine furchtbare Tragödie gewesen und hätte andererseits sofort für Schlagzeilen
Weitere Kostenlose Bücher