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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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    »Wer ist Carmelina?«
    »Das ist die dumme Ziege, die zu uns herüberglotzt. Sie hat wie verrückt geschrien, und ich dachte, daß sie sich im Wald verirrt hätte oder von einem wilden Tier gebissen worden sei. Ohne Zeit zu verlieren, ging ich sie suchen, und ich fand sie an der Seite Eures Sohns. Don Rico hatte sich offensichtlich aus dem Waldinnern in Richtung meines Hauses geschleppt, hatte es aber nicht mehr ganz geschafft. Er lehnte an einem Baumstamm, hatte sich erbrochen und, wollen wir ehrlich sein, bis zum Hals hoch vollgeschissen. Ich packte ihn, setzte ihn auf sein Pferd und brachte ihn in den Ort, Leider verlor ich ein wenig Zeit, weil die dumme Ziege neben mir herlief und sich wie eine Wahnsinnige gebärdete; ich mußte umkehren und sie in den Heuschober einschließen.«
    Er machte eine Pause. »Euer Ehren müssen nämlich wissen, daß Carmelina… «
    Wieder hielt er inne. »… daß Carmelina und Don Rico sich gern hatten.«
    »Ach ja?«
    Bonocore warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Ja.«
    Sie hüllten sich in Schweigen. Dann schnitt der Marchese eine Scheibe von dem Brotlaib ab, den er in der Satteltasche mitgebracht hatte, und näherte sich Carmelina. Unbeweglich stand sie da und wartete, bis der Marchese auf drei Schritte herangekommen war, und machte dann einen halbherzigen Ausbüchser.
    »Ganz ruhig«, sprach Don Filippo sanft, kauerte vor der Ziege nieder und warf ihr das Brot hin. »Ich will dir nur für das Quentchen Glück danken, das du Rico geschenkt hast.«
    Er erhob sich, ging wieder zu Bonocore, zog den Geldbeutel aus der Tasche, nahm ein paar Geldscheine und reichte sie dem Aufseher. Der meinte, er müsse auf der Stelle ohnmächtig werden, noch nie in seinem Leben hatte er so viel Geld auf einmal gesehen.
    »Bau Garmelina ein hübsches Häuschen mit einem richtigen Dach. Und kauf ihr die besten Sachen zum Essen.«
    »Der Ziege?«
    »Nein, der Ziege nicht, wie du sie nennst, nein. Aber Carmelina, der Verlobten meines Sohns, ja.«
    Bonocore unterdrückte ein Lachen, als er dem Blick des Padrone begegnete.
    »Und tust du nicht, was ich dir sage, schlage ich dich grün und blau, wenn ich das nächste Mal hier vorbeikomme, und werf dich in eine Schlucht, wo du verrecken kannst.«
    Bonocore war klar, daß jetzt nicht der Moment zum Scherzen war. »Bei allem, was mir heilig ist«, schwor er, die Rechte auf Herzhöhe hebend. »Wie eine Prinzessin wird sie behandelt werden.«
     
    Den zweiten, wesentlich längeren Halt machte der Marchese im Haus von Natale Pirrotta, seinem Landverwalter auf dem Gut Zubbie, das zwanzig Hektar Weinberg umfaßte. Das Haus stand auf einer dicht mit Ölbäumen bewachsenen Anhöhe, und von einigen Fenstern aus war in der Ferne ein Streifen Meer zu erkennen. Das Haus hatte im ersten Stock einen Anbau aus neuerer Zeit, ein weißgetünchtes Zimmer mit Abtritt. Das war der Raum, den Pirrotta nach entsprechenden Anweisungen vor zwei Jahren für Don Filippo gebaut hatte. Der Gutsverwalter, ein kräftiger Mann, war lange Zeit mit einer arbeitsamen, häuslichen Frau mit gutem Herzen verheiratet gewesen. Sie hatte nur einen schwerwiegenden Makel: Sie bekam keine Kinder. Wegen dieser Schwierigkeit hatte der Marchese seine Sympathie zu Pirrotta entdeckt, sehnte er sich seinerzeit doch ebenfalls nach einem Sohn. Als die Frau des Gutsverwalters bei einem Sturz vom Dach, wo sie einen Ziegel richten wollte, tödlich verunglückte, beschloß er nach gebührender Trauerzeit, sich eine neue Frau zu suchen. Doktor Smecca, für Pirrotta so etwas wie ein geistiger Vater, riet ihm, Trisìna zu heiraten, die achtzehnjährige schöne Tochter einer seiner betagten Dienerinnen. Pirrottas Bedenken wegen des Altersunterschieds von rund dreißig Jahren schlug der Doktor mit den Worten in den Wind, daß es genau dessen bedürfe, damit Natale endlich Vater werde: pralles Frischfleisch, fruchtbarer Boden für nicht mehr ganz kräftigen Samen.
    »Und wenn sie mich nicht will? Was weiß ich, vielleicht bin ich ihr zu alt?«
    »Die nimmt dich, die nimmt dich! Hab keine Zweifel. Morgen schon werde ich mit ihrer Mutter sprechen.«
    In der ersten Nacht, die Pirrotta mit der jungen Braut im Schlafgemach auf den Zubbie verbrachte, konnte er sich sozusagen eigenhändig davon überzeugen, daß Doktor Smecca es mit Trisìna getrieben hatte. Doch er ließ sich nichts anmerken. Fortan wollte er sie einfach als Werkzeug benutzen, das notwendig war, um ein Kind zu zeugen, wie es eines Eimers bedurfte, um

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