Jagdsaison. Roman.
abgeknallt!«
Finsteren Blicks und starr wie eine Salzsäule verfolgte der Marchese vom Sofa aus, den Freund Uccello an seiner Seite, wie Doktor Smecca und der Apotheker La Matina, der als Berater gerufen worden war, sich um den Todkranken zu schaffen machten. Plötzlich schnellte er in die Höhe und sagte in gefährlich ruhigem Ton zu seiner Gattin: »Komm her, du blöde Kuh.«
Die Frau trat näher, zitternd wie Espenlaub.
»Entweder hältst du das Maul, oder ich trete dir in den Arsch.«
Gehorsam verzog sich Donna Matilde in eine Ecke und wimmerte nur noch leise.
»Sie müssen die arme Frau doch verstehen«, warf Baron Uccello ein und fügte unpassenderweise hinzu: »Denken Sie bloß daran, was sie alles ertragen mußte, um mit dem Sohn schwanger zu werden.«
Der Marchese warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. »Herr Baron, wollen Sie mir einen großen Gefallen tun?«
»Ganz zu Ihren Diensten«, erwiderte der andere und war schon auf den Beinen. »Wollen Sie sich vielleicht aus dem Staube machen?«
Baron Uccello war zwar ein gutmütiger Mensch, aber dennoch fähig, in jeder Situation Streit zu stiften, wie eben jetzt vor der Leidensstätte eines Halbtoten.
»Mir hat noch keiner zu sagen gewagt, daß ich mich aus dem Staube zu machen hätte, haben Sie verstanden?«
»Nun, dann haben Sie jetzt auch diese Erfahrung gemacht.«
Da griff Fofò La Matina ein. »Möchten die Herren bitte einmal herhören?« Er blickte zu Doktor Smecca auf der anderen Seite des Betts und fuhr fort: »Der Herr Doktor hat recht. Es handelt sich eindeutig um eine Pilzvergiftung. Don Rico hat wohl einen Agarico piperino , der tödlich ist und in großer Zahl in jener Gegend vorkommt, mit dem eßbaren Agarico mousseron verwechselt. Ein tragischer Irrtum.«
Der Schrei aus Donna Matildes Kehle schreckte alle einschließlich Rico auf, der für einen kurzen Moment die Augen öffnete und wieder schloß.
»Nein! Niemals! Mein Sohn war in Sachen Pilze unfehlbar! Es ist ausgeschlossen, daß er sich geirrt hat! Erschossen haben sie ihn! Mit der Pistole haben sie auf ihn geballert!«
Federico Maria Santo Peluso di Torre Venerina, der Erbe des Hauses, sollte Mitternacht nicht mehr erleben. Um dreiundzwanzig Uhr und neunundfünfzig Minuten tat er seinen letzten Atemzug, er war praktisch am Viatikum erstickt, das der cholerische Padre Macaluso ihm gewaltsam in den Mund gestopft hatte und das ihm zwischen Kehle und Gaumen hängengeblieben war. Aber wie dem auch sei, auf die eine oder andere Weise mußte er sich ja schließlich von dieser Welt verabschieden.
Am Tag nach dem Begräbnis hatte der Marchese eine kurze Unterredung mit Baron Uccello, und danach verschwand er.
»Mein Wertester, ich muß wieder einen klaren Kopf kriegen, ich verziehe mich auf meinen Landsitz. Ich habe keine Lust, mit denen von meiner Familie an einem Tisch zu sitzen.«
»Haben die Ihnen etwas getan?«
»Nichts haben sie getan. Aber sehen Sie, mein Verehrter, als mein Vater sich ins Meer gestürzt hat, hat er sich selbst verarscht, denn…«
»Was soll das heißen, er hat sich selbst verarscht, denn? Er hatte neunzig Jahre auf dem Buckel, seit zehn Jahren war er an einen Stuhl gefesselt, und man mußte ihm, mit Verlaub gesagt, sogar den Hintern putzen… «
»Was wollen Sie damit sagen? Mein Vater hätte das Leben trotzdem bis zum letzten Tropfen genossen, auch wenn man ihm Arme und Beine abgeschnitten und ihn in einen Steinpott mit Petersilie gepflanzt hätte. Doch lassen wir es gut sein. Nein, ich gehe nicht wieder nach Hause, und ich erkläre Ihnen auch, warum. Nach dem Selbstmord meines Vaters habe ich mir eine schwarze Krawatte und eine handbreite Trauerbinde umgebunden. Seit Ricos Tod tragen wir strenge Trauer und sind von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Sogar die Diener tragen Schwarz. Gestern abend bei Tisch sahen wir aus wie Kolkraben, die von anderen Kolkraben bedient werden. Ich verdrück mich für eine Weile, mein Bester.«
Den ersten kurzen Halt machte der Marchese in der Hütte des Bonocore.
»Du mußt mir von A bis Z erzählen, wie sich die Sache zugetragen hat.«
»Euer Ehren müssen wissen, daß ich ausgerechnet an diesem verflixten Tag nach Sant’Agata mußte, um Saatgut zu kaufen. Erst in der Dämmerung war ich wieder zu Hause, und ich hatte keine Ahnung, daß Euer Sohn gekommen war; das wurde mir erst klar, als ich seinen Gaul am Baum angebunden sah. Ich war gerade dabei, mein Maultier abzuhalftern, als ich Carmelina rufen hörte…
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