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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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tief eingesunken in einem anderen Sessel. Dann beschloß sie, das Wort an den Fremden zu richten. »Wissen Sie, daß mein Sohn ermordet wurde?«
    Don Filippo zeigte sich nicht überrascht. Ntontò hatte ihm gesagt, daß die Ärmste seit einem Monat niemanden mehr erkannte und alle siezte.
    »Und wie verhältst du dich?«
    »Auch ich rede sie mit Sie an«, antwortete Ntontò mit einem schwachen Lächeln, »und folge in jeder Hinsicht der Etikette.«
    »Und wissen Sie, was der Gipfel ist?« wandte sich die Marchesa erneut an den Fremden. »Der Gipfel ist, daß keiner es glauben will. Sie behaupten, er sei an einer Pilzvergiftung gestorben. Er, der alles über Pilze wußte, auch ihre größten Geheimnisse kannte! Sind Sie aus der Gegend?«
    »Wer?« Auf die Frage war der Marchese nicht vorbereitet.
    »Sie. Sind Sie von hier?«
    »Nein, ich bin auf der Durchreise.«
    Und das war er tatsächlich: Kaum hatte er seinen Fuß ins Haus gesetzt, stand für ihn fest, daß er sich weitere drei Monate auf den Zubbie gönnen würde.
    »Ich bin ein Freund des Marchese, Ihres Gatten«, erklärte er weiter.
    »Dieser Riesengehörnte«, kommentierte Donna Matilde halblaut.
    Der Marchese zuckte zusammen, und seine Stirn verfinsterte sich. »Sagen Sie das nur so, oder ist da etwas Wahres dran?«
    »Warum ziehen Sie nur ein solches Gesicht? Nicht mal sein leiblicher Bruder würde das machen.«
    »Marchesa, weichen Sie nicht vom Thema ab. Sie schulden mir eine Antwort.«
    »Das habe ich nur so dahergesagt. Sind Sie nun zufrieden?« beschwichtigte sie ihn lächelnd, als wäre in ihrem verwüsteten Gedächtnis plötzlich eine winzige glückliche Insel aufgetaucht. Der Marchese war konfus und zugleich unsicher, ob er weiterbohren sollte, dachte aber, es sei wohl besser, nun zur Sache zu kommen.
    »Der Marchese, Ihr Gemahl, hat bei Rico eine Autopsie vornehmen lassen.«
    »Was bedeutet das Wort, das Sie da gesagt haben?«
    »Das heißt, man hat ihn aufgeschnitten und innen drin untersucht. Und dort hat man die hier gefunden.«
    Er zog eine große Schatulle aus der Tasche und klappte sie auf: Ein funkelndes Kollier aus Gold, Edelsteinen und Bleikugeln kam zum Vorschein.
    »Sehen Sie die? Das sind die fünf Geschosse, die man im Leib von Rico gefunden hat. Ihr Gatte hat sie einfassen lassen. Sie haben immer recht gehabt, Marchesa: Er wurde erschossen.«
    »Wie schön«, sagte Donna Matilde und nahm die Halskette. Von der glitzernden Pracht geblendet wie eine Elster, vergaß sie ihren Sieg, nämlich die Bestätigung, daß ihr Sohn genau auf die Weise den Tod gefunden hatte, die sie immer genannt hatte.
    »Meine Verehrung, Marchesa.«
    Nach einer höflichen Verbeugung schickte sich Don Filippo zum Gehen an, als die Stimme seiner Ehefrau ihn innehalten ließ.
    »Ist der Herr dort mit Ihnen gekommen?«
    »Welcher Herr?« fragte der Marchese und blickte sich um, konnte aber niemanden sehen.
    »Na der dort«, entgegnete Matilde verärgert und deutete auf den Kater Mustafa, der am Fußende des Betts schlief.
    »Nein, der Herr ist aus eigenem Antrieb hier.«
    Im Korridor auf dem Weg zu seinem Gemach hatte er plötzlich einen Einfall. »Wenn meine Frau eine Katze nicht mehr von einem Mann unterscheiden kann, warum dann eine Ziege von einer Frau? Nächstens bringe ich Carmelina nach Hause und präsentiere sie ihr als Ricos heimliche Verlobte, sie wird sie ins Herz schließen und wie ihre eigene Tochter behandeln.«
     
    »Das ist jetzt schon das dritte Spiel hintereinander, das Sie verlieren, Marchese. Sie kommen mir heute ein wenig daneben vor. Was geistert Ihnen denn nur durch den Kopf?«
    »Eine Ziege.«
    »Eine echte Ziege?«
    »Ja, der Herr.«
    Baron Uccello bedauerte den Freund, der offensichtlich den Tod des Sohns nicht verwinden konnte. Sie spielten noch eine Runde, und wieder gewann der Baron.
    »Heute habe ich wohl meinen schlechten Tag«, sagte Don Filippo und fuhr fort: »Ich wollte Sie etwas fragen, mein Allerwertester. Etwas ganz Persönliches, auf das Sie aber nicht zu antworten brauchen.«
    »Hören wir.«
    »Mögen Sie Ihre Schwiegertöchter?«
    »Ich weiß zwar nicht, warum Sie mir eine solche Frage stellen, will es auch nicht wissen. Aber ich beantworte sie. Sehen Sie, wenn Sarina, die Frau meines ältesten Sohns, auf Besuch kommt, gerate ich bei ihrem bloßen Anblick in Verzückung und kann hie und da einen Seufzer nicht unterdrücken. Jeden Wunsch lese ich ihr von den Lippen ab. Wenn sie sich dann mit ihrer flötenden Stimme bei mir

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