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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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Hals hängt. Wenn nur …
    Sie fröstelt trotz der schweißtreibenden Hitze hier drinnen. Sie geht zum Regal, nimmt die Dose, schraubt sie auf und wirft einen Blick hinein. Zeit, nachzufüllen, denkt sie.

12 Die SMS 3 - nicht zugestellt
    wo bist du?
cu, der herr lehrer

Epilog
    Die Welt ist schmutzigbeige und hat einen feinen Riss in der Mitte. Ich blinzle, doch der Riss bleibt an seinem Platz. Aus alter mathematischer Gewohnheit beginne ich, die Verästelungen zu zählen, als …
    »Wie fühlen Sie sich?«
    Ich drehe den Kopf zu der Seite, aus der die Stimme kommt, was sofort ein leichtes Schwindelgefühl verursacht. Als das Bild wieder scharf wird, kommt es mir zuerst völlig falsch vor, wie eines dieser Bildersuchrätsel in Zeitschriften, wo man den Fehler finden muss. Es ist ein optisches Phänomen, dass selbst das Offensichtliche nicht sofort zum Hirn durchdringt, sondern langsam wie dickflüssiger Sirup einsickert, bis der entscheidende Nervenstrang gereizt wird. Der, der für Geistesblitze zuständig ist.
    »Die Brille steht Ihnen gut.«
    Meine Stimme hört sich an wie altes Schmirgelpapier auf einer unebenen Holzkante. Trotzdem erscheint ein schmales Lächeln im Gesicht von Adrian Alt, der vorgebeugt auf einem Sessel sitzt, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, die Finger unter seinem eckigen Kinn verschränkt und der alles in allem so mitgenommen aussieht, wie ich mich fühle. Wenigstens etwas.
    »Danke. Ich trage sonst Kontaktlinsen, aber durch einen bösen Splitter im rechten Auge ist das derzeit nicht möglich.«

    Zwei emotionale Wogen schwappen gleichzeitig über mir und meinem Standardkrankenhausbett zusammen: ein ekliges Schuldgefühl sowie eine immense Erleichterung. Ich bin also nicht verrückt. Es ist alles wirklich passiert, der Kampf, der Wald, das - ja, was eigentlich? Ich bin noch nicht reif für die Klapsmühle, sondern schlicht und ergreifend in eine abenteuerliche Geschichte hineingeraten, die offenbar auch noch gut ausgegangen ist. Halleluja! Aber …
    (Der Schuss!)
    »Das mit dem Tellerwurf tut mir leid. Ich war wohl etwas überrumpelt, ich meine, durch den Wind trifft es wahrscheinlich besser.«
    »Durchgeknallt?«, schlägt er vor.
    »So kann man es auch nennen.«
    Ich schaue verlegen an seiner Schläfe vorbei und bemühe mich, unter der Bettdecke nicht mit dem Fuß zu wackeln, ein verräterisches Nervositätssymptom, leider angeboren.
    »Ist es - eine schwere Verletzung?«
    Es ist das rechte Auge, genau wie …
    »Harmlos, aber mit den Linsen ziemlich schmerzhaft.«
    Ich zögere und sehe ihn direkt an. Etwas ist anders. Das Bedürfnis, ihm mit der Faust auf die Nase zu schlagen, ist verschwunden, aber da ist noch irgendwas. Ob es nun an der Brille liegt oder an dem Auge.
    Will ich das wirklich wissen? Und, weiter gedacht, will ich tatsächlich all die Antworten auf die diversen Fragen haben, die mir unter den praktikabel kurz geschnittenen Nägeln brennen?
    »Da war - ein Schuss. Ich bin aus dem Wirtshaus gelaufen, Richtung Wald, und jemand hat geschossen. Ich dachte … Nun, ich hatte die Befürchtung …«

    »Dass es mich erwischt hat?«
    »Ja.«
    Sein Lächeln wird breiter.
    »Nicht, dass der verrückte Sepp es nicht versucht hätte. Hielt das Gewehr auf mich gerichtet, als wäre er Indiana Jones oder Quatermain. In seinen Augen … Ich kann es nicht erklären.«
    »Was?«
    »Keine Spur Mensch mehr, verstehen Sie?«
    »O ja.« Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder vergessen werde, wie die Wildnis in uns hineindringt, wenn wir es zulassen.
    »Nun, wäre die Wirtin nicht gewesen, dann hätte ich mir mit ziemlicher Sicherheit ein letales Loch im Bauch eingefangen.«
    Ich schnappe nach Luft.
    »Therese?«
    »Ja. Sie hat ihrem Mann das Gewehr weggerissen, gerade als er abdrückte.«
    »Und dann?«
    »Was weiß ich? Ich habe nicht gewartet, bis der Wahnsinnige einen zweiten Versuch startet oder sich ein Küchenmesser greift, um mich mundgerecht in Stücke zu säbeln. Ich bin gelaufen.«
    »Wohin?«
    Er runzelt die Stirn, was das Grübchen zwischen seinen Augenbrauen nicht unattraktiv vertieft.
    »Wohin? Was denken Sie denn? Ich bin Ihnen nachgelaufen. Das war nicht schwierig, Ihr Absatzgeklapper hat man bestimmt bis nach Wien gehört. Sie sollten Ihr Schuhwerk schleunigst überdenken.«
    (Schon geschehen!)

    »Sie sind mir nachgelaufen? Aber warum … Wieso hat es dann so lange gedauert, bis Sie mich gefunden haben? Sind Sie mir etwa im Wald hinterhergeschlichen? Der Kauz, der Wolf,

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