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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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dahinter die Läufe ihrer
Flinten. Gierige schwarze Augen in der Nacht. In dieser scheinbar endlosen Mondnacht.
    Geduckt lief er die paar Schritte zum gegenüberliegenden Straßenrand, wo der Rettungswagen gehalten hatte. Die blauen Signallampen drehten sich hektisch, ihr Licht ließ die Bäume am Waldrand unheimlich aufblitzen und brachte ihn dazu, geblendet die Augen zu schließen. Das rechte Auge, das verletzte, tat höllisch weh.
    Schwer zog die Müdigkeit an seinen Muskeln, das Gewicht der Leiche hatte seine ohnehin schmerzenden Arme taub werden lassen. Der gewaltsame Ausbruch aus der unterirdischen Wolfsfalle in letzter Sekunde, der Lauf durch den Wald zurück ins Dorf und dort der endgültige Wahnsinn: Sepps verzerrtes Gesicht, Thereses Schreie, der Flintenlauf! Doch die Mappe war gerettet, er hatte sie fest unter den Arm geklemmt.
    Er schaute sich nicht nach dem Körper um, der nach wie vor reglos am Seitenstreifen lag. Stattdessen richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf die beiden Sanitäter, die mit geübten Handgriffen die Bahre aus dem Fahrzeug hievten.
    »Wo befindet sich die verletzte Person?«, rief ihm einer von ihnen in breiter Salzburger Mundart zu. Er deutete vage hinter sich, nicht fähig, den Blick von der Frau abzuwenden, die in diesem Moment elegant vom Beifahrersitz glitt. Zwei perfekte Beine in Seidenstrümpfen, die im Mondlicht matt glänzten, gefolgt von dem kurvigen Körper, der diesmal in ein schlichtes dunkelrotes Businesskostüm gekleidet war.
    »Frau Green?«
    Seine Überraschung war groß. Woher kam sie, und vor allem, woher wusste sie von seiner Notlage? Er hatte einen Rettungswagen angerufen, nicht sie.

    Zögernd näherte er sich seiner Auftraggeberin, während die Sanitäter den Frauenkörper (die Leiche!) auf die Bahre hoben.
    »Herr Alt.«
    Sie streckte ihm ihre perfekt geformte Hand entgegen. Automatisch griff er danach und zuckte augenblicklich zusammen, so fest und kalt war der Druck. Sie lächelte nicht.
    »Haben Sie Ihren Auftrag ausgeführt?«
    Adrian erwog kurz, ihr einfach mitzuteilen, dass es in W. nichts zu finden gab. Er hatte die letzten Worte des Unterberger nicht vergessen. Andererseits war das hier sein Beruf, und er musste darauf vertrauen, dass Selene schon die richtigen Schritte einleiten würde. Er war kein Jurist, nicht einmal Polizeibeamter, er war nur ein Privatdetektiv. Erschöpft streckte er seiner Auftraggeberin die Mappe mit den Dokumenten entgegen (den Originalen!).
    »Diesem Text können Sie alles entnehmen, was Sie wissen müssen.«
    »Ist das alles?«
    »Ja.«
    Sie griff nach der Mappe und blätterte sie beiläufig durch, ohne wirklich darin zu lesen.
    »Gibt es Kopien?«
    »Keine.«
    »Weiß noch jemand davon?«
    »Niemand.«
    Er hatte nicht gezögert, doch seine Stimme zitterte leicht. Er hoffte, dass sie es nicht merkte.
    »Aber der Beweis?«
    Er starrte die Frau müde an.
    »Welcher Beweis?«

    »Nun, das Ding, das Etwas, das Mittel, das verwendet wurde? Das, was Sarah getötet hat?«
    Um ihren Mund hatten sich unschöne Falten gebildet, Spuren von Verbitterung.
    »Frau Green, lesen Sie den Text, dort wird auch das Ding beim Namen genannt. Ich bin mir sicher, das genügt, um …«
    »Worte, Worte, uralte Worte.« Wütend wedelte sie mit der Mappe vor seinem Gesicht. »Glauben Sie tatsächlich, damit ließe sich etwas anfangen? Mit den Hirngespinsten verstorbener Dichter? Davon haben wir genügend in London, das können Sie mir glauben. Was ich will, ist etwas, das man in der Hand halten, das vor Gericht verwendet werden kann. Haben Sie so etwas für mich, Herr Alt?«
    Er hob die Schultern.
    »Das wird sich zeigen. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass die Dame, die gerade in den Rettungswagen transportiert wird, dieselben Symptome aufweist wie Sarah. Das wäre ein starkes Indiz. Auf der Fotografie, die Sie mir gegeben haben, ist deutlich zu erkennen, dass …«
    »Herr Alt«, unterbrach sie ihn, »Indizien interessieren mich nicht. Wichtig ist, was nachweisbar ist. Die Ursache , verstehen Sie? Der Stein der Wei…«
    Sie unterbrach sich hastig und strich sich ihr ohnehin perfekt sitzendes Haar glatt.
    »Ich meine, der Stein des Anstoßes, ihn brauche ich, verstehen Sie mich?«
    Adrian verstand sie nur zu gut. Er rieb sich nachdenklich die Wange. Ein kleiner Funke Hoffnung machte sich in ihm breit. Das Geheimnis des Gendarmen!
    »Nun, falls Olivia Kenning lebt …«

    » Wer? «
    Selenes Einwurf klang schärfer als nötig. Nachdenklich

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