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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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Kind eines natürlichen Todes gestorben ist. Offen gesagt, stimme ich dem zu. Ich habe eine Fotografie der Leiche gesehen, und Sarah sah - krank aus. Genauer untersucht wurde da
nichts, das Kind ist blitzschnell begraben worden. Der Dorfarzt hat plötzlichen Herzstillstand als Todesursache angegeben, Strich drunter, aus.«
    »Ich verstehe nicht …«
    Adrian Alt seufzt.
    »In Mimmers Museumsarchiv bin ich auf die Ortschronik gestoßen. In einer Biografie Mimmers wird erwähnt, dass angeblich Teile aus der Chronik fehlen, dass es ein Kapitel gibt, in dem das Dorfgeheimnis gelüftet wird. Ich habe Mimmers Assistenten, einen sonderbaren Kauz namens Unterberger, aufgetrieben. Von ihm habe ich die handschriftlichen Originale dieses ominösen Kapitels erhalten.«
    »Die Mappe!«
    »Das ist richtig. Ich erhielt die Dokumente, kurz bevor Sie im Wirtshaus Ihren verhängnisvollen Kuchen bestellten. Unterberger wollte mich nicht gehen lassen, solange die Jagd abgehalten wurde, doch Mimmers Aufzeichnungen bestätigten meinen Verdacht, dass hier im Ort ein Gift in Umlauf ist. Ein tödliches Gift. Die missbräuchliche Nutzung dieses Giftes muss natürlich streng geheim bleiben. Der Chronist ist übrigens einem bedauerlichen Unfall zum Opfer gefallen. Ebenso wie der Gendarm, der den Unterberger wegen eben dieser Papiere aufgesucht hat.«
    Mein Herz klopft schneller. Mimmers Verkehrsunfall … Die Maus …
    »Der Gendarm?«
    Alt bemerkt natürlich, dass meine Stimme zittert.
    »Jawohl, der Gendarm. Nur aus Interesse: Was haben Sie über den Gendarmen herausgefunden? Da ist doch etwas, das Sie mir nicht sagen wollten.«

    »Nun«, ich schlucke, mein Hals ist schrecklich trocken, doch ich bin zu aufgeregt, um Adrian Alt um ein Glas Wasser zu bitten, »das war - ein Zufall. In meinem Gasthofzimmer, da wohnt nämlich eine Maus.«
    Adrian Alt zieht die Augenbrauen hoch.
    »Jawohl, eine Maus. Ich wollte sie fangen und bin dabei durch einen - äh - Unfall auf ihr Nest gestoßen. Ein Geheimfach unter einer Bodendiele.«
    Alt beugt sich vor, sein Gesicht ist angespannt, die Augen trotz aller Müdigkeit hellwach. Zwei wasserblaue Leuchtdioden.
    »Was haben Sie gefunden?«
    Ich kann nur flüstern, meine Stimme versagt fast.
    »Das Testament des Gendarmen Franz Berger.«
    »Was?«
    »Ja, er hat es, wahrscheinlich mit einem Messer, in eine Dose geritzt.«
    »Eine Dose! Warum sagen Sie das nicht gleich? Was war drin?«
    Er greift erregt nach der Bettdecke neben meinem Arm. Ich schüttle ungeduldig den Kopf. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter, weil ich an ein anderes Testament denken muss, eines, das auf einem Papiertaschentuch verewigt ist. Einem blutigen Papiertaschentuch.
    »Nichts. Die Dose war leer. Die Buchstaben waren ziemlich krakelig, er muss stark gezittert haben. Womöglich war er schon - na ja - kurz davor. Herrgott, was schauen Sie denn so? Davor, den Löffel abzugeben, abzunippeln, Sie wissen schon. Die Dose, die war in eine alte Uniformjacke gewickelt, eine fleckige Jacke. Ausgebleichte Flecken, aber sie könnten früher einmal rostrot gewesen sein. Auf der Dose …«

    Ich muss mich räuspern. Adrian Alt sieht mich ungeduldig an, reißt sich aber zusammen und reicht mir ein Glas Wasser, das ich gierig trinke.
    »Auf der Dose stand: Liebste Familie, verzeiht mir. Ich werde den bitteren Tod lieber freiwillig schlucken, blablabla, statt auf meine Mörder zu warten. Sie sind nicht mehr weit. Ich möchte, dass Ihr den Ort verlasst, nehmt alles mit bis auf - Ihr wisst schon - und fangt woanders neu an. Ich liebe Euch, umarme Euch et cetera Euer Ehemann und Vater, Franz Berger. Sinngemäß zumindest.«
    »Den Tod schlucken. Also doch! Er wollte sie auffliegen lassen, da haben sie ihn vernichten müssen, doch er war schneller. Aber warum haben sie die Dose aufbewahrt? Noch dazu im Wirtshaus?«
    Gedankenverloren nimmt Alt mir das leere Glas aus der Hand und stellt es auf dem Nachttisch ab. Ich lasse ihn nicht aus den Augen. Schließlich treffe ich eine Entscheidung.
    »Therese ist die Enkeltochter des Gendarmen. Das Wirtshaus hat ihren Eltern gehört. Es muss ihr Zimmer gewesen sein, in dem ich untergebracht war.«
    Erwartungsgemäß starrt er mich mit offenem Mund an.
    »Woher …?«
    »Da war Mädchenkram in dem Loch unter der Diele. Dinge, die wir vor unseren Eltern verstecken: Liebesbriefe, Fotos von unserem Jugendschwarm, eine Stoffrose, ein billiges Ansteckherz. Mädchenwünsche in rosa Tinte. Viele Wünsche. Und ein

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