Jagdzeit
Dörfern und dem Einsatz von Napalm das taten, was Männer in Kriegen bisher immer getan hatten, nämlich einzeln und/oder in Gruppen Frauen zu vergewaltigen und zu töten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Amerikaner damit auch ihre vermeintliche Schwäche und Unterlegenheit im heimischen „Geschlechterkampf“ kompensierten.
David Osborn war nicht in Vietnam, hat aber all das aufmerksam registriert. So ist ein starkes Leitmotiv seiner seit Anfang der siebziger Jahre veröffentlichten Romane die schonungslos offene Darstellung aller, auch der subtilsten Methoden und Mechanismen des Machtkampfes, in dem persönliche oder politische Motive sich in gefährlicher Weise verquicken und der Zweck alle Mittel zu heiligen scheint.
Osborns Kindheit und Jugend verlaufen äußerst harmonisch. 1923 als Sohn vermögender Eltern in New York geboren, verbringt er die Sommermonate in Hudson Valley und Rhode Island, lernt früh reiten und segeln. Er absolviert in New Mexiko die High School und unternimmt mit seinem Onkel, dem in Albuquerque ansässigen Anthropologen und Pulitzer Preisträger Oliver La Farge („Laughing Boy“, 1929, deutsch: „Indianische Liebesgeschichte“, Weinheim, 1979) längere Streifzüge durch die Reservate. Gleich nach dem Schulabschluss lässt sich der Achtzehnjährige bei der Armee zum Piloten ausbilden und fliegt bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Einsätze im Südpazifik. Anschließend ist er kurze Zeit als Ausbilder und Testpilot tätig. Neben seinem Studium an der Columbia University jobbt er dann als PR-Mann für Off-Broadway-Theater und den populären New Yorker Radiomoderator und Komiker Jimmy Durante. Mit achtundzwanzig wird er Chef der Presseabteilung bei „Transfilm“, dem größten Produzenten von Werbefilmen. Nach vier arbeitsintensiven Jahren jedoch gerät er ins Visier des Kommunistenhassers, -jägers und Anklägers Senator McCarthy: David Osborn hatte spezielle Radioprogramme für Afroamerikaner entwickelt und wird nun als antiamerikanisch und subversiv gebrandmarkt, zumal er auch einen Angestellten beschäftigt, der verdächtigt wird „mit einer kommunistischen Partei in Verbindung zu stehen“.
Es ist das Jahr 1955 und der erst zehn Jahre zuvor für seine Verdienste im Krieg noch hoch dekorierte David Osborn gilt als Landesverräter. Angewidert von den Praktiken des McCarthy-Systems zieht er einen radikalen Schlussstrich unter seinen bisherigen „American Way of Life“ und emigriert nach Frankreich. Was diesen Schritt auslöste, bleibt unvergessen und wird von Osborn später in dem Politthriller „Love and Treason“, 1982 (deutsch: „Schach der Dame“, Wien/Hamburg, 1986), thematisiert: Die Machenschaften eines Politikers, der Informationen über ihm nicht genehme Personen unter dem Deckmantel des selbstlosen Patrioten manipuliert und missbraucht.
Knapp 27 km nördlich von Cannes liegt das Städtchen Le Bar-sur-Loup. Durch die schmalen Gassen dieses provenzalischen Orts führt der Weg an einer alten Wasserleitung vorbei zu einem Steinbruch. David Osborn erwirbt und betreibt ihn fortan. Tagtäglich schuftet er mit den Arbeitern vor Ort und kann nach und nach auch Gewinne verbuchen. Aber er hat Größeres im Sinn. Abend für Abend setzt er sich an seine Reiseschreibmaschine und entwickelt ein erstes Drehbuch: Nach dem Ableben ihres wohlhabenden Vaters lebt die junge Alleinerbin Kim zurückgezogen in ihrem Elternhaus am Meer. Da taucht ein Jahr später ein Mann auf und behauptet, ihr verunglückter Bruder Ward zu sein. Der geheimnisvolle Unbekannte kann seine Behauptung auch belegen, und selbst Kims Onkel Chandler identifiziert den Fremden als Ward.
Es ist ein mysteriöser Thriller, den Douglas Fairbanks Jr. mit Michael Anderson als Regisseur und Anne Baxter und Richard Todd in den Hauptrollen in London und der Grafschaft Hertfordshire realisiert. 1958 hat „Chase A Crooked Shadow“ (deutsch: „Flüsternde Schatten“) Premiere. Der Schwarzweißfilm wird immer wieder mal im deutschen Fernsehen gezeigt und steht bei der „Britisch Academy of Motion Picture“ auf der Liste der zehn besten und spannendsten Drehbücher, die jemals geschrieben wurden.
Für Osborn beginnt eine lange Karriere als Autor für britische Filmund Fernsehproduktionen. Er schreibt mehrere Originaldrehbücher, arbeitet an Serien mit und adaptiert den Agatha Christie Krimi „16 Uhr 50 ab Paddington“ mit Margaret Rutherford als Miss Marple. Der nach seinem Script gedrehte
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