Jage zwei Tiger
läuft?«
»Arnold Schwarzenegger?«
»Ja.«
»Wer ist das denn noch mal?«
»Dieser Politiker! Glaub ich.«
Die Frau grübelte. Cecile stand auf, lief weiter und hatte nach einer halben Stunde wieder Hunger. Sie setzte sich in die grell ausgeleuchtete Filiale eines Kettenitalieners und bestellte Thunfischspaghetti, was als Kind mal ihr Lieblingsessen gewesen war. Sie konnte schlechterdings nicht glauben, was sie da tat, und musste lachen. Sie hörte mit dem Lachen auch lange nicht mehr auf, als würde sie nur so dem Automatismus entkommen, das Essen sofort wieder loswerden zu müssen.
Den Rest des Tages verbrachte sie in Straßenbahnen, von deren Fenstern aus sie in den Himmel starrte. Sie stellte einen seltsamen Schimmer in den Wolken fest, den sie noch nie gesehen hatte. Der Himmel sah aus, als wäre er emailliertes Kupferblech. Er war nicht mehr blau, sondern grünlich, und das Grün schien von Minute zu Minute intensiver zu werden. Als es dunkel geworden war und außer ihr niemand mehr in der Bahn saß, stieg sie aus. Sie wusste nicht, wo sie war, sah von der Haltestelle aus aber eine kleine Bar in einem der letzten unsanierten Altbauten. Die Bar war nach dem Puff in Phillip K. Dicks Zukunftsroman Ubik benannt, den sie nie gelesen hatte, »zur Fessel der polymorphen Liebeserfahrung«, und schien auf den ersten Blick eine dieser gentrifizierungstypischen Mischungen aus In-Schuppen und Altherrenkneipe zu sein. Sie ging hinein. Klein und relativ leer, rohe Wände, Klubsessel. Auf den Stufen zum Untergeschoss, in dem sich die Toiletten befanden, saßen fünf dicht aneinandergedrängte Punk-Mädchen, die abwechselnd in ihren Portemonnaies rumwühlten und rumknutschten. Rechts neben dem Tresen mixte gerade ein über vierzigjähriger DJ in Rick-Owens-Jacke schlechten Punk in schlechte Soulmusik.
Cecile bestellte einen Cocktail, der Bronx hieß, woraufhin der Barkeeper sie zu ihrem guten Geschmack beglückwünschte. Als sie ihn ausgetrunken hatte, fragte er tatsächlich, ob alles »zu ihrer Zufriedenheit« gewesen sei, woraufhin sie »Ja, absolut, alles« antwortete und einen zweiten bestellte. Irgendwann stand sie dann vor dem Spiegel im Toilettenbereich, in einer schwarzweiß melierten Seidenbluse von Irina, die an ihr aussah, als käme sie gerade vom Joggen, und war so down, dass sie beschloss, kotzen zu gehen. Doch als sie die Tür zu einer der beiden Kabinen öffnen wollte, wurde sie mit großem Kraftaufwand von innen zugehalten. Durch den Türspalt konnte Cecile eine Frau sehen. Plötzlich öffnete die Frau die Tür und stand halbnackt vor ihr, dunkelbraune Haut, kurze Haare, riesige Kreolen, hinter ihr zwei vollständig bekleidete Typen, die dämlich lachten. In ihren Augen blitzte diese sentimentale Panik der Menschen, aus deren Drogensucht sich bereits eine paranoide Störung entwickelt hatte. Sie sagte, es gehe um Leben und Tod, und dann noch, als ginge es wirklich um Leben und Tod: »Geh zu Detlev!«
Und Cecile antwortete ungerührt, sie wisse nicht, wer Detlev sei.
»Aber mein Kind, welches Unglück für mich! Wie traurig bin ich, Sie gerade in diesem Augenblick zu verlieren! Ich hatte vor, Ihnen Ihr Schicksal zu verkünden, und nun wollen Sie forthin ziehen? In allem Glanz Ihrer prächtigen Erscheinung geradewegs in die bösen Klauen dieser ganzen Wichser da draußen?«
Atemberaubend klassische Stimmfarbe plötzlich, dachte Cecile, eindrucksvoller Scheiß, big time, und die Frau schrie einfach nur »Detlev, Detlev!«.
Detlev schien der sehr große Typ Ende vierzig zu sein, der gerade an der Tür zum Waschraum vorbeilief. Sein Blick blieb kurz an Cecile und der Frau hängen, aber anstatt stehen zu bleiben oder zu ihnen zu gehen, lief er so schnell wie möglich zurück nach oben.
Die Frau stützte sich inzwischen am Waschbecken ab und versuchte ihren Cardigan zuzuknöpfen. Cecile beobachtete sie lange, bis sie, mit runtergelassener Jeans, an ihr vorbei die Treppe hoch und auf die Tanzfläche stürmte, um dort nach einigen Sprüngen einfach umzufallen. Detlev fing sie im letzten Moment auf und half ihr dabei, sich auf einen Hocker an der Bar zu setzen. Sie vergrub den Kopf in ihren auf dem Tresen verschränkten Armen und begann zu weinen. Cecile beobachtete das aus einigen Metern Entfernung und ging dann auf Detlev zu, um zu fragen, was mit ihr los sei.
»Das ist nicht so spannend. Die ist okay«, sagte er, ohne sie anzusehen.
»Wer ist sie denn?«
»Kundry. Psychologieprofessorin aus
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