Jagt das rote Geister-Auto!
Alter zum Ausbruch. Darüber hinaus gibt es
viele Möglichkeiten, den Verstand zu verlieren. Etliches ist noch ungeklärt.“
„Soeben“, Klößchen wechselte das Thema,
„habe ich einen hochherzigen Entschluß gefaßt. Ihr dürft teilhaben an der
Torte. Pro Nase ein Stück. Schlage vor, wir fahren zum Wiener Café, belegen den
besten Fenstertisch, lassen uns Teller und Kuchengabeln bringen und legen los.
Gebongt?“
„Da wird sich die Bedienung aber freuen“,
sagte Gaby. „Wenn du Torte mitbringst, statt welche zu bestellen.“
„Weiß ich doch, daß die nur verdienen
wollen. Deshalb schlingen wir die Torte nicht trocken runter, sondern mit
Getränken. Diese bringen wir nicht mit, nein. Wir bestellen sie vor Ort. Das
muß denen reichen.“
Tim sagte: „Dein Geist scheint heute
seinen trägen Tag zu haben. Spannst du gar nichts? Bruchseidls Auto ist ein
roter Sportwagen, dessen Kennzeichen auf ...99 endet. Das macht ihn so
verdächtig wie einen Fuchs im Hühnerstall. Wir fahren jetzt nicht zum
Tortefressen, sondern in die Professor-Klughammer-Straße. Vielleicht kommen wir
rein in die Garage.“
Klößchen pfiff durch die Zähne. „Da
wird ja das Ei in der Pfanne verrückt. Die 99 habe ich gar nicht gesehen.“
„Es würde bedeuten“, sagte Gaby, „daß
sich jemand den Wagen heimlich ausleiht — während Bruchseidls Abwesenheit.“
„Wäre ein ziemlich gemeiner Trick“,
nickte Karl. „Und wirksam.“
„Weshalb wollen wir hinfahren?“ fragte
Klößchen. „Daß es den Wagen gibt, wissen wir ja.“
„Willi“, sagte Tim. „Wenn dieser
Schlitten das Geisterauto ist, dann hat es 21 Personen gestreift, angefahren,
beschädigt - und etliche Fahrräder. Von diesen Zusammenstößen bleiben Spuren
zurück.“
„Verstehe“, nickte Klößchen. „Dellen
und Beulen.“
„Mindestens.“
„Kratzer und Absplitterungen am Lack.“
„Jedenfalls will ich den Wagen sehen“,
sagte Tim. „Mir kribbelt das Blut. Mein Instinkt sagt, wir sind auf der
richtigen Spur. Es wäre nicht auszudenken. Schritt für Schritt gehen wir jetzt
vor. Unauffällig. Sonst ist der Geisterfahrer gewarnt. Wer kennt die
Professor-Klughammer-Straße?“
„Das ist bei uns in der Nähe“, sagte
Karl.
Sie fuhren los.
Die Spannung hatte alle gepackt. Sie
fühlten sich wie kurz vor der Zeugnisausgabe.
Karl führte.
Sie erreichten die
Professor-Klughammer-Straße.
Vornehme Gegend, stellte Tim sofort
fest.
Auf Gehwege hatte man verzichtet, weil
hier offenbar jedermann fuhr.
Mauern, halbhoch als Sockel, mit
schmiedeeisernen Zäunen grenzten die Grundstücke ab.
Nr. 11 war so verwildert, daß man von
der Villa — die im Hintergrund stand — nur das Dach wahrnahm.
Kein Wunder, daß es hier wie Kraut und
Rüben aussieht, dachte Tim, wenn der Bruchseidl monatelang auf Weltreise ist.
Sie hielten vor dem weitsprossigen
Eingangstor.
Niemand war in der Nähe.
„Das Schloß ist kaputt“, stellte Tim
fest — mit technisch-geschultem Blick. „Also keine Verriegelung. Wir können
rein, ohne zu klettern.“
Karl schob das Tor auf.
Klößchen durfte die Flügel schließen,
nachdem alle drin waren. Natürlich machte er Lärm wie ein Kesselschmied, aber
die nächste Villa war fern.
Sie radelten die gewundene Einfahrt
entlang, paarweise, bis zu der Doppelgarage, die rechts an die große Villa
angebaut war. Nichts, wohin man blickte, war vorgefertigt, sondern alt und
gemauert. Offenbar trennte Bruchseidl zwischen Geschäft und Privatleben, sobald
es um die Art seines Eigenheims ging. Die Garage hatte ein zweiflügeliges
Holztor mit Rundbogen. Das Schloß wirkte stabil.
Tim drückte auf die Klinke und
rüttelte.
„Fest verschlossen.“
„Wir könnten einbrechen“, schlug
Klößchen vor.
„Kommt nicht in Frage.“
„Durchs Schlüsselloch siehst du nichts.“
„Diese alten Garagen haben meistens ein
Fenster.“
Tatsächlich: Um die Ecke entdeckte Tim
an der rechten Längsseite ein Fenster.
Vier Nasen drückten sich an die
verstaubte Scheibe.
Drinnen sahen sie einen afrika-braunen
Jeep mit viel Schnickschnack wie Löwenfell auf den Vordersitzen,
Schrumpfkopf-Maskottchen am Innenspiegel, Kuhfänger vor dem Grill.
Auf der Rückbank lag ein lederner
Golfsack mit Schlägern.
„Man muß Bruchseidl gar nicht kennen“,
sagte Tim, „um zu wissen, wie der ist. Ich wette, in drei Minuten sagt der
55mal ,ich’ — und was er schon alles gemacht hat. Schade, vom Ferrari sieht man
nicht viel.“
Der stand hinter dem
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