Jagt das rote Geister-Auto!
Hussler war damals noch... gesund.“
„Jetzt ist er krank?“
Tim musterte ihn.
Es war ein plumper Typ mit fleischigem
Gesicht und tiefliegenden Augen. Frisur und Oberlippen-Bart erinnerten Tim
an... ja, an wen? Jedenfalls an eine ziemlich unangenehme Person aus der
jüngeren deutschen Geschichte.
„Ja, sehr“, erwiderte Marga. „Geisteskrank.“
„Sieht man irgendwie.“
„Hussler ist in einer Anstalt, nein, in
einer Klinik. Schon seit einem Jahr. Früher war er mit Bruchseidl befreundet.“
Karl hatte seine Nickelbrille poliert —
diesmal nicht vor Aufregung, wie es ihm sonst Gewohnheit ist, sondern um besser
sehen zu können.
Er trat neben Tim, sah den Wagen sowie
die... 99 und zog scharf die Luft in die Kehle.
Gaby wurde aufmerksam, machte einen
langen Hals, blieb aber sitzen.
Klößchen trottete heran und beglotzte
die Fotos.
„Sieht aus, der Schlitten, wie der aus
dem Film im Central-Kino.“
„Sonst fällt dir nichts auf?“ fragte
Karl.
„Frau Heinze hat recht. Sie ist nicht
sehr gut getroffen. Will sagen: In natura, Frau Heinze, gefallen Sie mir
besser.“
„Ich hatte damals die Haare zu glatt.
Das steht mir nicht.“
„Stimmt“, nickte Klößchen. „Löckchen
sind vorteilhafter. Ich überlege schon seit Tagen, ob ich den Scheitel in
Zukunft rechts oder links trage. Wahrscheinlich werde ich tageweise wechseln:
Montag, Mittwoch, Freitag links; Dienstag, Donnerstag, Samstag rechts. Und am
Sonntag gar keinen. Weil ich da ausruhe.“
Tim sah Karl an.
Der Gedächtniskünstler nagte an der
Oberlippe.
„Es ging so verdammt schnell“, murmelte
er. „Aber ich meine, ja. Er könnte es gewesen sein. Schade, daß er auf dem Foto
nicht von hinten zu sehen ist.“
Gaby stand auf und betrachtete die
Fotos aus der Nähe.
„Oh!“
Die Kornblumenaugen wurden rund. Gaby
pustete gegen ihren Goldpony. Dann blies sie die Backen auf.
Tims Faust klatschte in den linken Handteller,
daß Marga erschrocken zurückzuckte.
„Leute, wir…“ Er stockte. Mit einem
Lächeln wie Honig wandte er sich dann an Marga.
„Dieses tolle Auto interessiert uns.
Ist es noch im Besitz von Herrn Bruchseidl?“
„Aber ja. Sein ganzer Stolz.“
„Ob Herr Bruchseidl uns den Ofen mal
zeigt, den heißen.“
„Mein oberster Chef ist doch seit zwei
Monaten auf Weltreise.“
„Mit dem Wagen?“
„Nein. Der steht in der Garage.“
„Und wer fährt ihn inzwischen?“
„Niemand.“
„Niemand? Ein Sportwagen muß bewegt
werden — wie ein Rennpferd.“
„Herr Bruchseidl ist Junggeselle. Seine
Bekannte begleitet ihn. Familie hat er nicht. Ich glaube, der Ferrari hält das
aus, wenn er mal stillsteht.“
„Und wo könnte man ihn besichtigen?“
„Das geht wirklich nicht. Er ist
eingeschlossen in der Garage.“
„Aber irgendwer hat den Schlüssel?“
„Nein.“ Marga hob die Brauen. „Du bist
wohl ein Auto-Fan?“
„Na, und wie!“ log Tim. „Ein Ferrari
ist mein Traum.“
Gaby blickte rasch zu Boden. Sie mußte
an sich halten, um nicht zu kichern.
„Wenn Herr Bruchseidl zurück ist“,
sagte Marga, „werde ich ihn bitten, daß er dich zu einer Spritztour einlädt.“
Solange, dachte Tim, können wir aber
nicht warten. Diese Nobelkutsche liegt uns auf der Seele. Nicht wie ein
Ferrari, sondern wie ein Russen-Panzer.
„Jetzt ist mir eingefallen“, Tim
verzuckerte sein Honiglächeln noch ein bißchen, „wo der Herr Bruchseidl wohnt.
In der Entenbacher Landstraße, nicht wahr, Ecke Froschschenkel-Weg, wo die
vielen Fertighäuser stehen.“
Sowohl die Landstraße als auch den Weg
erfand der TKKG-Anführer aus dem Stegreif. Ging es doch lediglich darum, Marga
eine Auskunft zu entlocken.
Ein Kopfschütteln war die Antwort. „Nein,
Tim. Er wohnt in der Professor-Klughammer-Straße. Nummer elf.“
9. Blicke durchs Fenster
Vor dem Firmengebäude wehte laue
Frühlingsluft. Der gestrige Nebel hatte sich aufgelöst und der Sonne Platz
gemacht.
Klößchen befestigte den Tortenkarton
auf dem Gepäckträger.
„Wie“, überlegte das dicke
TKKG-Mitglied vernehmlich, „wird man eigentlich geisteskrank?“
„Gerade du müßtest das wissen“,
frotzelte Karl.
„Im Bio-Unterricht hatten wir das noch
ni... Ach so! Hahaha. Du hast ja keine Ahnung, Karl Vierstein. Mein Geist ist
nicht krank, sondern nur bisweilen etwas träge.“
„War ja nur ein Witz“, meinte Karl.
„Und wie wird man nun ballaballa?“
„Die Neigung ist angeboren, kommt aber
bisweilen erst im fortgeschrittenen
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