Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Kopf schräg, nach der anderen Seite. - Bugs Bunny for President: gibt sie endlich zu. - Kann ich mich schriftlich bei dem alten Ungeheuer entschuldigen, oder muß ich es mündlich tun?
Die New York Times ist nicht der Auffassung, daß Präsident Johnson seine Sache schlechter macht als jene Cartoonfigur Bugs Bunny, die in einem fort Erfindungen bastelt, vorgeblich zum Wohle der Mitmenschen, in der Tat zu ihrem Nachteil und Schaden. Die New York Times bringt drei Bilder von der Pressekonferenz des Präsidenten auf der Titelseite und einen Bericht von fast zwei Seiten: wie er hinter dem Podium hervorkam, die Arme schwenkte, die Luft zerhackte, ins Leere schrieb, ärgerlich dröhnte, ganz sanft wurde in Herabsetzung seiner Person und hin und her schritt vor den Kameras wie ein Erweckungsprediger. Der wahre Johnson. Über die Kritiker seiner Kriegführung sagte er: Er wolle sie nicht unpatriotisch nennen. Aber sie säßen im Glashaus.
19. November, 1967 Sonntag
Endlich sind wir unser Dienstgeheimnis los: die Abwertung des Pfund Sterling steht in der New York Times.
In Oceanside auf Long Island, in einem Haus mit Swimming Pool, wohnt Edward Revander, ein Immobilienmakler, ein Neger, als Nachbar von Weißen. Sie haben ihm Steine gegen Fenster, Türen und Schornstein geschmissen, sie haben seinen Rasen mit leeren Bierdosen bestreut und ein Kreuz darauf verbrannt. Das wollte er aushalten. Gestern nacht haben sie ihm eine Bombe ins Wohnzimmer geworfen. Wäre sie detoniert, sein dreijähriger Sohn, seine zwanzigtägige Tochter hätten es kaum überlebt. Nunmehr hat Mr. Revander sein eigenes Haus, Wert 50 000 Dollar, zu verkaufen, zum ersten vernünftigen Gebot.
Marie will wissen, wie es bei einer kirchlichen Taufe zugeht. Sie ist enttäuscht, daß dem Säugling lediglich ein wenig angewärmtes Wasser auf die Stirn gestrichen wurde und daß Eltern und Paten der Kirche versprachen, den künftigen Menschen nach ihren Wünschen aufzuziehen. Dafür bestätigt der Beauftragte der Kirche den Namen des Kindes. So erzählt, wird es Marie vielleicht abbringen von ihrem Plan, in fünf Jahren die Zeremonie am eigenen Leibe wiederholen zu lassen. Tatsächlich war das die ganze Handlung nach dem Gottesdienst in der Petrikirche zu Jerichow am 19. März 1933. Ein Teil der Gemeinde blieb sitzen unter den verschlafenen Orgelklängen, mit denen die Organistin, Jule Westphal, sie aus dem Gotteshaus hatte schicken wollen, einige stiegen sogar in die freigewordenen Vorderbänke des Adels um, unter den mißvergnügten Blicken des Kirchendieners, der unter Methlings Regime nicht nur hätte einschreiten dürfen sondern auch die Gebühr für Eintrittskarten kassieren. Oll Bastian war mit dem neuen Pastor nicht glücklich. Lasch, dieser Brüshaver. Das Taufwasser anwärmen, wo gab es das! Verweichlichung gleich zu Anfang; von der Mehrarbeit für Pauli Bastian auf seine alten Tage zu schweigen. Pauli hielt sein Gesicht steif wie ein Brett, während Cresspahls und Papenbrocks mit dem Täufling in den Mittelgang eintraten, und die um den Mittelpunkt der Nase in seinem Gesicht angebrachten Falten waren eine Maserung, mit der für kleine Kinder nicht tapeziert wird. Das Kind trug Cresspahl, etwas hoch vor seiner Brust und sehr angestrengt, bis er es vor dem Altar an die Mutter zurückgeben konnte. Die Frauen waren alle fröhlich. Louise Papenbrock hatte sanfter genickt, als sie sich in der ersten Reihe neben Dora Semig fand, immerhin doch einer geborenen Köster aus Schwerin. Semigs Frau sah den Handlungen an dem Kind zu, als seien alle Beteiligten darauf aus, sie zum Lachen zu bringen, und als wehre sie sich dagegen nur noch mit schwacher Kraft. Hilde Paepcke konnte den Kopf nicht still halten, sah an Cresspahl hoch, machte Lisbeth Zeichen mit den Augen, mit den Lippen, nicht als die ältere Schwester, sondern wie ein Kind, das mitspielt; Hilde Paepcke probte die Tauffeier für das Kind, das sie im Bauch trug. Lisbeth, meine Mutter, deine Großmutter, zeigte nicht viel, aber es war an ihren Blicken auf Brüshaver zu sehen, auch an ihrem bereitwilligen, zeitgleichen Einfallen in Gebet und Antwort, daß sie mit einem Fest beging, daß sie alles Gewünschte bekommen hatte. Von Louise Papenbrock war ohne jede Vorsicht zu behaupten, daß sie ihr Gesicht nicht unter Aufsicht hatte und womöglich mit dem Ansehen dieser Taufe die Erinnerung an die früheren in ihrem Leben aufputzte, zumindest erträglicher machte. Von solchen Damen wie Käthe Klupsch, der
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