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Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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vorigen Jahr hat Marie noch von »Annie« gesprochen, wenngleich von »Frederick« nicht so vertraulich.
     
    Wir kennen Annie Fleury seit fünf Jahren, als sie noch Killainen hieß und in den Gebäuden der Vereinten Nationen den Touristen die Kunstwerke und Symbole erklärte, damals wenig über zwanzig, eine dralle, eine quicke Person mit Apfelblütenfarben, die eines Tages sehr enttäuscht in unserer Tür stand. Denn Cresspahls zeigen nicht ihren Namen über dem Klingelknopf, und sie hatte die früheren Bewohnerinnen des Appartements 204 besuchen wollen. Sie ist auch von der Ostsee, der bottnischen, ein Bauernkind, das mit Stipendien nach Helsinki und Genf gekommen war. Sie konnte so lachen über ihre Geschichten, ihre Vergeßlichkeit, ihre zwei linken Hände, wir haben sie behalten. Einmal haben wir sie gekränkt, weil wir die evangelische Kirche eine Firma mit beschränkter Haftung nannten, aber sie war nicht betrübt ihretwegen, sondern über uns, und sie kam wieder, brachte skandinavisches Spielzeug für das Kind, blieb über Nacht, eine Freundin, die darauf bestand, von Nutzen zu sein. Damals machte sie noch Pantomimen nach den amerikanischen Formalitäten, die einer Verabredung vorausgehen, und in der Handtasche hatte sie das Bild eines Jungen, der in Kaskinen auf sie wartete, ein Großhändlerssohn, der gern und gut eine Fremdsprachensekretärin zur Frau nehmen wollte. Sie nahm keinen Fernsehjournalisten, nicht den Seifenhändler aus St. Louis, sie nahm F. F. Fleury, einen Romanisten aus Boston, der sein Geld mit der Schreibmaschine verdient. Er versprach ihr das richtige Leben, ein Leben auf dem Lande, und uns gefiel nicht seine Art Französisch zu sprechen, weil er wie Paulchen Möllendorff in Gneez seiner Stimme Gewalt antut beim ausländischen Artikulieren, als verstelle er sich, nicht nur den Mund, und wir bekamen die Einladung zur Hochzeitsfeier so spät, daß wir es nicht einmal mit Flugzeugen noch geschafft haben. Wenn wir sie besuchen in ihrem Farmhaus in Vermont, das er tatsächlich hat anzahlen können mit seinen Übersetzungen, zeigt er sich lange nicht, läßt sich den Nachmittag in seinem Dachzimmer alt werden, während wir mit Annie das Haus für den Sonntag herrichten. Denn das Haus ist nicht nur so ehrwürdig wie ein Museumsstück, vor Alter geht es auch an vielen Stellen kaputt, und weil Mr. Fleury hier nicht die Kräfte zeigt, die er oft genug beim Universitätsfußball dargestellt hat, kommt unsere Freundin mit dem Haushalt nicht nach, mit drei Kindern,
     
    – F. F. Fleury jun., der Boxer: sagt Marie;
    – Annina S., das Apfelkind: sagt Marie;
    – Francis R., das Knickebein: sagt Marie;
     
    und weil sie nicht nur abends mit Mr. Fleury die »erlesenen Stellen« seines Tagespensums besprechen, sondern auch es tagsüber ins Reine schreiben muß. Sie schien fröhlich beim Aufräumen und Braten, und obwohl wir allein waren, alle Kinder im nassen Wald, hat sie nicht versucht zu klagen, nur daß sie F. F. Fleury fast nicht wahrzunehmen schien, als er sich in der Küche blicken ließ, ihm ohne ein Wort zu trinken gab, ohne Aufforderung ihm immer ein neues Glas zubereitete, fünf bis zum Abendessen, viele durch das Essen hindurch und hinterher, bis er endlich aus seinem bockigen, gewalttätigen Schweigen herausfand in den Streit, den Annie ohne Gegenwehr über sich ergehen ließ, etwas krumm sitzend, mit sonderbar waagerechten Schultern, die Hände zwischen den Knien, fast heiter, als geschehe nun das Erwartete.
     
    – Du kennst sie wie ich sie kenne, Marie.
    – Nein. Ich habe auf der dunklen Treppe gesessen. Ich habe euch gehört. Und Annie habe ich gesehen.
    toi avec ton âme européenne, ou même russe, peut-être. Rien qu’à vous entendre parler, vous autres! Mais la salle de bains? un champ de bataille où chaque jour de nouveau c’est le désordre qui gagne, les saletés des enfants partout où on met les pieds
    ne dis pas cela Frédéric
    tu ne te sers de ton âme touranienne que pour m’éloigner des enfants. Avec toi, en finnois, ils parlent de toutes choses, avec moi, en anglais, de très peu
    ne dis pas cela, Frédéric
    ton sacré goût pour la souffrance, ton accablement de ménage mal caché, tout cela est abstrait, tout cela se plaît dans le reproche
    ne dis pas cela, Frédéric
    et ça ne signifie pas comprendre mon travail. Mon travail n’a rien à faire avec vos traductions simultanées ridicules, il s’agit d’une reconstruction d’art! dont, apparemment, je

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