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Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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Schläfe. Die Sekretärin, die den Kaffee brachte, beeilte sich mit Geschirr und Zutaten und war so rasch wieder aus der Tür, als müsse sie einer peinlichen oder unziemlichen Szene entfliehen.
    Und dann sagte de Rosny:
     
    – Das rätst du nicht, D. E.
    – Daß er es gewußt habe, Gesine.
    – Ja. Windet sich in den Schultern, heikel war es ihm doch, und bedankt sich –
    – Weil du ihm freiwillig Bescheid gesagt hast.
    – Das habe ich ihn glauben lassen, aber -
    – erst einmal hat die Angestellte Cresspahl ihm eine Standpauke hingelegt, so gut sie das im Sitzen kann: sie verbitte sich, daß man sie überwache! Zumindest müsse ihr das mitgeteilt werden; sie habe ein Recht; sie habe nicht übel Lust; etcetera.
    – Es ging ganz gut im Sitzen, D. E.
    – Und er hatte seine Unterhaltung.
    – Das hast du geraten!
    – Nein, Gesine. Ich bin auch schon ein paar Jahre lang angestellt; mit Chefs leben muß ich wie du.
    – Jetzt willst du auch das noch besser können.
    – Wann wollte Weiszand die Katze sehen, Gesine?
    – Am Dienstag. Vor sechs Tagen.
    – Wenn du von de Rosny erzählst, halte ich ihn für schneller.
    – Warum willst du nicht umgehen mit den Männern, von denen ich dir erzähle, D. E.? F. F. Fleury, D. W. Weiszand, de Rosny?
    – Du fühltest dich beaufsichtigt, Gesine.
    – Nein.
    – Nein.
    – Die lange, lange Leine, D. E.
    – Glaubt de Rosny es denn?
    – Glaubst du es?
    – Du selber hast den Council for Mutual Economic Assistance, den R. G. W., wie du willst, du hast das einen Kindergarten genannt, Gesine. Wird es der Kindergärtnerin gefallen, daß eins von den Kindern plötzlich sich eine Katze halten will? Wird die Internationale Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit von Moskau nicht zumindest wissen wollen, ob die Č. S. S. R. heimlich in den U. S. A. borgen will?
    – Ja. Aber es kann doch nicht mir passieren.
    – Was ist dir denn passiert, als du bei der N. A. T. O. in Mönchengladbach warst?
    – Das war privat, D. E. !
    – Und wie bist du an jenen Arbeitsplatz gekommen?
    – Durch ein Inserat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, D. E.
    – 1955?
    – 1955, D. E. Und wir sind hier in New York. 1968.
    – Eben.
    – Dieser Weiszand ist ein Soziologe, D. E. !
    – Das macht nichts, Gesine.
    – Ein Pole, ein Jude, den die Sowjets in der Schule auf der letzten Bank sitzen ließen, bevor sie ihn den Deutschen für die Konzentrationslager zurückgaben, warum sollte der einen Finger rühren für die Sowjetunion?
    – Er muß es ja nicht gern tun.
    – Jetzt kommst du auf die Psychologie des Verräters, Herr Professor.
    – Nein. Auf die Hypothese, daß private Unglücksfälle nicht zählen gegen den Sieg des Sozialismus.
    – Dmitri Weiszand verrät mich nicht.
    – Es muß Verrat ja nicht heißen. Vielleicht will er dir behilflich sein.
    – »Wer Demonstrationen gegen den Krieg in Viet Nam organisiert, ist ein Agent der sowjetischen Wirtschaftsspionage.« Deine Gleichungen waren schon eleganter, D. E.
    – Von seinen Bindungen an Viet Nam wußte ich nicht, Gesine.
    – Du hältst es für möglich.
    – Nach deinen Erzählungen, Gesine.
    – Daß de Rosny mich überwachen läßt.
    – Er wird da von beschützen sprechen, und nicht dich meinen, sondern seine Investition.
    – Oh no. Not again.
    – Kündige da. Nimm das Kind und leb bei mir.
    – Das will ich sehen. Jedes Wort, du wirst es aufessen, D. E.
    – Was würde de Rosny zu einer Kündigung sagen?
    – Das geht jetzt nicht, D. E.
    – Er hat dich zum Essen eingeladen.
    – Ins Brussels.
    – Brauner Damast an den Wänden, sanftes Licht, Waterzooi de Volaille à la Gantoise. Dahin gehen aber die Bankiers nicht.
    – Selle d’Agneau Rôti à la Sarladaise, D. E.
    – Von fern müßt ihr ausgesehen haben wie ein Liebespaar. So kann D. W. Weiszand es sich nun auch noch erklären, daß du zur Probe um zwei Stockwerke befördert wirst, an einen neu eröffneten Tisch, der nicht »Č. S. S. R.« heißen wird sondern »Allgemeine Kontakte«, mit einer Telefonnummer, die nicht im Hausverzeichnis stehen wird. Mrs. Cresspahl als ein Fall von Protektion.
    – Du würdest mich immerhin herleihen, Erichson.
    – Du dich, Gesine.
    – Wäre es schlecht? es wäre diesmal doch ein sozialistisches System, dem geholfen würde.
    – Nein.
    – Also.
    – Und es wird nicht gehen, Gesine.
    – Das will ich noch sehen.
    – Einverstanden. Und wenn es mißlingt, und du kommst heil heraus, heiratest du mich.
    – Eine

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