Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl
überstanden hätte, wenn. In anderen Nächten richteten wir für noch andere Erwachsene Ausnahmen ein, schamhaft, vorsichtig. Für Frau von Alvensleben, ohne Bedenken. Für Johnny, mit Vorbehalt. Hanna konnte mit großem Aufatmen einschlafen, als sinke sie tief abwärts. Über Anne-Dörte kein Wort.
Ja, Jakob hielt sein Versprechen und kam zu Besuch. Wir merkten es bald, wenn er vor dem Gut war. Dann blieb Anne-Dörtes Stuhl beim Abendbrot leer, und zu unserer Schlafenszeit trat sie wieder aus dem Wald auf die Diele, gekämmt wie sonst nicht, in ihrem einzigen Kleid aus grauem Jersey. Wenige Minuten später, und Jakob stand im Tor, locker, munter, als wär er nicht zwei Stunden gegangen. Die Haare mochte ihm der Strandwind so kreuz und quer gewühlt haben. Dann, bevor er zu seinen Geschäften mit Johnny in der Döns verschwand, sprach er mit uns. Unterhielt sich mit uns. Nahm sich der Kinder an. Wie ein Vormund. Mehr hatte er nicht versprochen. Wir gingen Anne-Dörte kein Mal nach, wir sahen sie doch auf dem Fußweg zwischen den Kiefern zur See. Manchmal waren bei der Rückkehr ihre Haare naß, Jakobs auch. Wir wußten nun, warum wir kein Bett eigens für Jakob gefunden hatten. In Jakobs Besuchsnächten lagen wir still unter dem Mondlicht von der See her, taten schlafend vor einander; keine ist von den Tränen der anderen aufgewacht, zum Sprechen im Schlaf waren wir zu müde.
So lagen wir auch unter dem Regen, der den Rest der Ernte im ganzen Winkel zerstörte. Das war am 27. August 1946, wie es keinen gegeben haben soll seit Menschengedenken. Die Wolken schütteten so wild, daß Johnny uns den Vorgang als tropisch erklären mochte
wie die Wasserstürze, die vorhin, 14 : 45 p. m., den Raum zwischen den Häusern der Dritten Avenue so tief verfinsterten. Wenn Helligkeit aufriß, schienen die sausenden Tropfen geschärft. Neue Dunkelheit mit Donnerschlägen machte den Fuß der Straße winterlich, in der glatt spiegelnden Fahrbahn lag volles Schaufensterlicht, wie zur Nacht. Die starken Scheiben knisterten unter dem Anprall des gewöhnlichen Regens von New York
und nur Arbeit unter Dächern ausgegeben werden konnte. Ein dicker Sack, zur Kapuze gefaltet, wurde auf den fünfzehn Metern zum Wirtschaftsgebäude zum Auswringen naß. Nicht einmal die Tiere ertrugen mit Geduld, was so unablässig die Stalltüren verhängte. Es gab Stellen auf dem Hofplatz, die sahen aus nach tiefen Seen. Johnny belehrte uns über den normalen mittleren Jahresdurchschnitt für den August in dieser Gegend, 66 Millimeter. Am Abend wollte er den Regen auf 190 Millimeter geschätzt haben, allein für diesen Tag. Das erzwungene Stillsitzen, die kriechende Feuchtigkeit hatte die Diele bald leergeräumt, auch wir hielten es nicht aus bei Johnny und legten uns auf unsere Zeltplanen in der Apfelkammer. Das Reetdach knisterte und roch immer mehr nach erdrückendem Gewicht. Es war schon dunkel von Nacht wegen, wir bekamen doch die Augen nicht zu. Schlimmer als bei den öde gleichmäßigen Bewegungen im Weizen drehte ein Gedanke sich um sich selbst, kam unverändert wieder: Eine Gräfin sein wie Anne-Dörte, es stand uns nicht bevor. Aber auch wir würden einmal neunzehn Jahre alt sein, so lebendig im Gesicht wie sie, mit einem Busen zum Sehen, fest im Fleisch, unserer Beine auch bewußt; nur nicht zur rechten Zeit, nämlich zu spät. In der Höhle unter dem prasselnden Regen war es so still, vielleicht hat Hanna mich für schlafend gehalten. Die leere Schwärze wachte auf an ihrer erbosten Stimme. Sie rief, im Liegen nicht kräftig: Ich bin kein Kind mehr. Es klang entschlossen, reuelos, und ich haßte sie, weil sie nicht genug litt an einem Unglück, das ich für sie so ungeheuer glaubte wie für mich. Wieder war sie älter als ich.
Wenn dei jungen Gesellen mit juch schnacken, so antwurt’ sei nich un seiht se nich an un rœgt jugen Kopp nich. Wenn sei glikwoll nich upphüren willen, so fardigt se hübsch kort af: Ja. Ne. Dat mag woll sin. Weit ick nich. So.
Wenn ein jung Gesell n Appel orre ne Beer schellt hett und juch gebn will, so låt’ sei ja liggn un aet’t se nich.
Wenn dei jungen Gesellen bi juch sitten und willen mit juch tau daun hebbn un willen juch bi de Hand nœhmn, so treckt dei Hand taurügg un steckt sei ünner die Schört, un wenn sei denn noch nich willen uphüren, so dreiht sei den Rüggen tau un antwurt’ dörchut nich.
Wenn denn bi Nacht dei jungen Gesellen dei Spellüd bringen orre sünss dull lopen, as sei woll daun,
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