Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl
erwiesen hat als ein großer Räuber (Saat von Klee und Luzerne im Wert von $ 20 000,00). Aber daß es ein sowjetischer General gewesen sein soll, dem er seinen Auslandspaß verdankte! Hier hört der Spaß auf. Es ginge an, hätte bloß die Times von New York solch Lied gesungen. Mag doch die Welt es wissen. Aber daß Leute in Prag davon erfahren, durch einen Nachdruck in der Zeitung Lidova Demokracie, es geht übers Bohnenlied, da kriegt der Botschafter in Moskau einen traurigen Brief. Wäre doch schade um die freundlichen Beziehungen. Wehe, wenn die zuständigen Organe der Č. S. S. R. nicht gleich Maßnahmen ergreifen gegen ihre eigenen Organe! Saat von Luzerne und Klee. Es mag ja stimmen, aber muß man gleich davon schreiben?
– So lustig waren deine Sowjets nicht: sagt Marie. Wie sie waren, soll ihr erzählt werden, es ist versprochen; eine Versöhnung hängt noch daran. Versprochen hat das unser Professor Erichson, der hält die Wahrheit für konkret; warum war Mrs. Cresspahl so erleichtert über jeden Aufschub? Warum wollte sie dies vertagen, mindestens in den Herbst, am liebsten um ein ganzes Jahr?
– »Meine« Sowjets.
– In deinem Sowjetmeeklenburg. Du warst da mit ihnen an einem Ort. Ihr seid einander begegnet. Du kennst sie.
– Mit zwölf Jahren. 1946 wurde ich dreizehn.
– Gesine, sag mir ein Kind in Mecklenburg, das weiß nichts von meinem Land.
– Eine ganze Schulklasse kannst du haben in Gneez.
– Könnte ich denen nicht vortragen, was gefällig ist in New York, von Harlem bis zum Hudson?
– Es wäre bloß, was du gesehen hast. Was du weißt. Bloß für dich wirklich.
– Für mich wirklich.
– Sie würden dir nicht glauben, von Anfang an.
– Gesine, glauben will ich dir ja.
– Ich hätte eine geheime Bewandtnis beim Erzählen, du aber willst mir nicht mißtrauen. Was soll daraus werden!
– Eine Bewandtnis hab ich auch, Gesine. Oh gewiß. Ich auch.
– Also will ich zugeben, es erging Cresspahl übel in der sowjetischen Haft. Gelegentlich. Schlimmer, als ich dir erzählen mochte.
– Hunger?
– Auch Hunger.
– Körperliche Mißhandlung?
– Verletzungen unterschiedlicher Art.
– Es stieß ihm irrtümlich zu, Gesine.
– Es stieß ihm zu.
– Die Sowjets waren die Sieger. Militär waren sie, ausländisches. Warum sollte ihnen kein Schreibfehler unterlaufen? Sie konnten sich verhört haben in der fremden Sprache, auch öfter einmal.
– Manche Dolmetscher hatten ihr Deutsch von Nazibesatzung gelernt und mußten damit erst noch durchs Polnische, ehe sie im Russischen ankamen.
– Gesine, ist es schlechte Verwandtschaft, wenn ich das mit Cresspahl nicht im einzelnen hören mag?
– Es ist kaum eine Wassertonnengeschichte.
– Gesine: Er war einmal nicht da.
– Er war nicht da. So konnte er mir nicht helfen bei einem Stück Zeit, wie ich doch frühere Zeiten aufgenommen habe bloß im Leben mit ihm. In Worten, noch mehr in den Auskünften, die über Laune, Blick, Bewegungen des Gesichts gehen. Ich hatte Jakobs Mutter, die war eine Fremde in Jerichow, viel mehr als das Krankenhaus und Umgebung konnte sie nicht nach Hause bringen. In Jakob mußte ich mich noch anders teilen. Und wie der Kinder nicht mitnahm bei seinen Geschäften, so gab er ihnen nicht Rechenschaft. Für die übriggebliebenen Familien Jerichows war ich die Tochter des verhafteten Bürgermeisters; die gaben eher Hanna ein Wort ab. In Gneez wünschte erst recht Niemand, ich sei auf ihn angewiesen. Du kriegst jetzt nichts als dreizehnjähriges Dabeigewesensein, mitsamt der Unordnung, die eine Wissenschaft von später darin eingerichtet hat. Ist es dir so recht?
– Was hast du mir noch verschwiegen?
– Das Verschwinden von Slata.
– Die hab ich fast vergessen. Du hast mich mit Absicht an ihr vorbeigeführt!
– Slata ist den ersten Sowjets in Papenbrocks Diele entgegengegangen, als wollte sie mitgenommen werden aus diesem Haus, weg von solcher Familie. Der Kommandant von Gneez hielt sie nicht nur als Dolmetscherin, seine Assistentin war sie; er hätte ihr einen Besuch bei den Papenbrocks erlaubt. Zu dem kam sie nicht. Louise hatte sie zu lange angefaßt als ein Dienstmädchen, Albert hatte da bloß zugesehen, nicht ihr geholfen. So war in Gneez kaum bekannt, daß ein N. S.-Sonderführer sie als Braut nach Mecklenburg geschleppt hatte, mit einem Kind und zu Schwiegereltern, die der Luftwaffe wie der Partei durch geschäftliche Gewinne verbunden waren. Bekannt war sie als »Engel von Gneez«. Sie
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