Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Befreiung eines Finkenvogels aus der zum Trocknen aufgestellten Doppelreuse. Ein Eimer voll Aale, der umfiel. Gegen Westwind im Regen rudern, arbeiten. Aber auch die Fischer stellten einander einmal auf vor sommerlichem Ufer zu einer zeitgenössischen Fotografie, und die männlichen Kinder bekamen die braunen Mützen der Erwachsenen, der S. A., mit dem Hakenkreuz, womöglich weil diese Räuberbande die Zinsknechtschaft hatte brechen sollen. Hier schielte D. E. am besten unter dem Schirm der Mütze, die ihm auf seinen dreizehnjährigen Ohren hing. Es war schon Krieg mit der Sowjetunion.
Und die berühmten Affairen, D. E.?
Erst einmal war da die Schwester, fünf Jahre jünger. Und Heike kam mit auf das Eis, wenn er da mit den Fischerskindern Schlittschuh lief. Hand in Hand mit einer Elfjährigen, gewiß, aber es wurde nichts gesprochen; sie ist nunmehr verheiratet mit dem Vorstand der Taxigenossenschaft von Wendisch Burg. Nichts weiter? Das war es.
Mit D. E.s Augen war jedoch nichts verquer, und nach des Alten Wunsch und Sehnsucht hätte er abgerichtet werden sollen auf den Ordensburgen der Nazis, künftiger General oder Henker für den Österreicher. Frau Erichson verlegte die ehrenvolle Einladung, und das Kind mußte nichts tun als Dienst in der Marine-H. J. Er lernte da in der Mannschaft rudern; wäre lieber allein unterwegs gewesen mit seinem besegelbaren Paddelboot. Im Sommer kreuzte eine H-Jolle auf den beiden Seen, die lag an der Schleuse. Keine Bekanntschaft mit den Niebuhrs, Marie; nicht ein Wort. Eine Meldung an die Bannführung: Rottenführer Erichson aufgefallen beim Abgeben von Lebensmitteln bei den Sedenbohms (Mischehe, nicht privilegiert, Sternträger).
Die Fotos zerschnitten, zerrissen, verbrannt. Eins könnte erhalten sein ziemlich unten in einem Vertiko in der Stadt Fürstenberg. Es zeigte viel Winter 1943, da standen vier Kinder um die sechzehn auf einem Feld nördlich Oranienburgs, vor einer schütteren Kiefernpflanzung, im Nebel, im schmutzigen Schnee. Drei waren Jungen, angetan mit der Uniform der Flieger-H. J., blaugrau. Zwar, die große Armbinde mit dem Hakenkreuz haben sie nicht um den Arm, nach Vorschrift, sondern in der Brusttasche, für verrückte Vorgesetzte. Allen drei ist es gelungen, sich ein Koppelschloß der Luftwaffe zu verschaffen, erhaben wie sie nun sind als Soldaten über die Hitler-Jugend, und die Uniformhemden tragen sie mit dem Koppel über der Hose wie die Soldaten ihre Feldblusen, nicht wie Kinder in der Hose. Das vierte Kind auf dem Bild war ein Mädchen, die mag das Bild aufbewahrt haben.
D. E., berühmt für glänzende Affairen. Es war erst eine Woche her, daß die Scheinwerfer-Batterie hatte antreten müssen hinter einem Dorfgasthaus zwecks Belehrung durch den Chef, einen Leutnant mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse, verdächtig des geschlechtlichen Umgangs mit einer polnischen Zwangsarbeiterin auf dem Gut. Von ihm hatten die Jungen den Befehl bekommen, nach jedem Geschlechtsverkehr unverzüglich sich »sanieren« zu lassen, so hatte D. E. zum ersten Mal von solchen Krankheiten gehört. Es war geblieben bei schüchternen oder zu forschen Briefen über das Luftgaupostamt Berlin.
Es waren nicht seine Stahlwerke, die er da bewachte, das war ihm aufgegangen.
Nur, auf der Schule war er eifrig gewesen in nur zwei Fächern, und im Flak-Unterricht fiel er auf mit seiner Wissenschaft von Schallgeschwindigkeiten bei wechselnden Temperaturen und dem Betrieb eines Maschinensatzes, er wurde herausgenommen aus dem Scheinwerfer-Lehrgang und war in der Luftschlacht um Berlin Flugmelder am Flakfernrohr. Solche Vergünstigungen fielen ihm zu, die Sache Sedenbohm hing ihm dennoch an; er war nicht beliebt und nicht beneidet. »Die von der Residenz halten sich steif, die haben einen Stock verschluckt« (wegen des Geburtsortes Neustrelitz). Manchmal vergaß er, für wen er da Posten hielt, die Liberators, Typ B 24, hingen zum Greifen nahe im Glas, schmale Flügel, dicke Leiber, die ovalen Schalen der Doppelleitwerke, vollkommene Geräte. Es hatte sich erwiesen, seine Augen waren brauchbarer als andere. Die anderen »Helfer« der Luftwaffe waren taumelig, wenn sie aus dem Schlaf geholt wurden, trotz der rot verdüsterten Beleuchtung; er war nachtsichtig, »Oberhelfer« inzwischen. Am RRH , dem »Ringtrichter-Richtungs-Hörer« hatte er noch gelernt, dann kam er an das neueste »Fu MG «, das Telefunken gebaut hatte, 41 T. Das Wort Radar kannten sie gar nicht. Das Funkmeßgerät ortete
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