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Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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U. S. A. als andere; da half ihm die hellere Hautfarbe seiner Familie, das »richtige Haar«. In diesem Laden fing Don Mauro an, bald erzog er hier den ersten Sohn im Umgang mit der Polizei und einfacher Buchführung; inzwischen bildet er schon Neffen aus für die Läden, die er ihnen aussuchen, einrichten, pachten wird. Die mögen noch Schutzgebühr zahlen müssen an die Hüter von Gesetz und Ordnung; bei Don Mauro müssen jene ihre Käufe bezahlen, eine einladend hingestreckte Zigarrenkiste ist bereits eine Ehrung. (Mehr als ein Stück pro Uniform ist nicht zu nehmen.) Don Mauro steht am fernen Ende der Theke, kaut von morgens bis abends auf dem gleichen kalten Stumpen, vielleicht die ganze Woche lang. Manchmal ruckt der Stumpen in Don Mauros Mundwinkel und verwandelt seine gedankenvolle Miene, als habe er etwas ausgespuckt, jedoch ist ihm etwas eingefallen. Er überwacht den Brudersohn an der Kasse, er zieht den auslaufenden Pachtvertrag der Wäscherei nebenan durch die Rechenmaschine in seinem Kopf, er kaut auf der Nuß einer Pachtklausel herum, zart und behende, bis sie sich öffnet unter seinen geschickten Bissen. Don Mauro sieht nicht nur zufrieden aus; das unentwegte Planen und Finden bildet sich so behaglich ab in seinem Gesicht, da sind Genüsse zu vermuten. Wenn er alle zwei Jahre nachsehen geht auf dem Estado Libre Asociado de Puerto Rico, die Mutter besuchen, die Messe im Heimatdorf besuchen, Nachwuchs prüfen auf Eignung für New York, er wird da zwar mürrisch aber bereitwillig erzählen von diesem Stück Manhattan. Es gibt da Stellen, die sehen der Heimat gleich, mit den Ladenschildern, Leuchtreklamen, Bodegas. Die Häuser mögen höher sein, aber unten in ihnen sind Löcher, aus denen schwimmt und wabert die Musik der Insel. Dort gibt es Kirchen mit spanischen Gottesdiensten, Lichtspieltheater, die nur noch Programme in der eigenen Sprache bieten; das Heimweh wird nicht groß sein, und nicht wachsen. Dort wie hier wird die Familie in sich zusammenhalten, und eine Familie mit der anderen; und an den Sonntagen sieht man die jungen Mädchen im Park, respektabel, ansehnlich gekleidet, spanisch gehalten. Wenn die Haut hell ist, wird der Mangel an Englisch nicht gleich schaden. So steht alle Jahre ein neuer Junge an Don Mauros Kasse, erwirbt ein Englisch von den Yanquis, zieht um in den Rang des Geschäftsführers, später womöglich des Eigentümers. Wer das begreift, darf auch einmal den Laden allein verwalten, während Don Mauro in der Seite des Gebäudes eine schmale Treppe erklimmt, den verschwiegenen Aufgang zu einem Büro im ersten Stock, da spricht er in sein Telefon, was Niemand weiß, dort verwahrt er das Geld im Tresor, da hat er seine heimliche Flasche mit dem Hustensyrup. Die Treppe führt nur zu diesem Büro, wer wird sie kennen außer dem Hausmeister, kaum Jemand begegnet einem auf den Stufen. Die Tür in der Seitenstraße ist halb verstellt durch die Tonnen und Säcke mit dem Abfall des Hotels, ein Schlitz ist das, der öffnet und schließt sich schneller, als ein Auge sieht. Es gibt viel nachzudenken über dies Büro und das Dutzendschloß an der Tür; dabei erscheint die Kundschaft wie ein Traum und war eben noch nicht da.
    Ist das Kundschaft? Es ist ein Yanqui, ein Mann von etwa Fünfzig, in weißem Hemd, zwar mit Bartstoppeln, er hat Flecke in der Haut am Hals, wie abgeschabt, er sagt etwas von Zehnern. Will er Kleingeld eingewechselt haben?
    Der Bittsteller wähnt sich schon im Glück, sieht besorgt und väterlich auf den Jungen hinter der Theke, einen Sechzehnjährigen mit schmalem hartem Kopf, versonnen blickenden Augen, fast freundlich unter der scharf geriffelten Stirn, den noch kindlichen Wellen im graublonden Haar. Der Mann will die Hilfe entgelten mit Höflichkeit, auch für das eigene Gefühl muß er etwas tun, also sagt er ein wenig leichtsinnig: Ich bin nicht wirklich ein Stromer, wissen Sie –, und zur Sicherheit wendet er sich an seine Nachbarin, eine Dame, und wahrhaftig lächelt sie, nicht mitleidig, sie meint ihn geradezu aufzumuntern.
    Auftritt Don Mauro, sieht den Anlernling an der Kasse fingern, keinen Kaufvorgang. Er ist sehr schnell von der Tür zu der erstarrten Gruppe gelangt, dennoch haben ihn alle schreiten sehen, einen alten Mann, steif in den Schultern, noch würdiger von der Wut, die ihm das Gesicht eng zusammenzieht. Der Junge kriegt einen Peitschenschlag übergezogen in tonlos gewispertem Spanisch, der wird nicht heilen vor dem Sonnabend. Der Bettler wird

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