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Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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knallig rotweiß verpackt, Marlboro oder Lux.
    Die Nazis. 1930 hat es auch angefangen mit 2,2 Prozent. Was die Notstandsgesetze alles so möglich machen. Ausgerechnet vor diesem Auditorium vergißt er die Beschlagnahme der Autos. Die Demonstrationen in Westberlin: die erste Anwendung. Die Demonstrationen in Warschau, Paris, New York mögen zur gleichen Zeit vorgekommen sein. Für alle diese Tatsachen kann ich eine Gegentatsache anführen. Wenn das der Beweis war, ist er noch nicht abgeschlossen.
    Die Sache des Friedens. Weschtj mira. Darum brauchen wir den Dialog. Ein Staatsmann hat einen Vorschlag gemacht. Um diesen Staatsmann redet er lange herum, in verehrenden Tönen. Als die Spannung müde ist, verrät er den Namen: der Staatsmann war Mr. Kossygin von der Sowjetunion.
    Beifall. Diskussion.
    – Die Haltung der Ostdeutschen zur Entwicklung in der Č. S. S. R.
    – Na ja, wissen Sie … ich muß Ihnen was sagen. Die Č. S. S. R. würde fast Wort für Wort unterschreiben was ich sagte. Ich sehe den Zusammenhang nicht. Weiß nichts von Haltungen. Meinen Glückwunsch der New York Times, daß sie sich zum Sprecher der D. D. R. macht.
    – (Beispiele:) Störsender der D. D. R., Leitartikel in Blättern der Regierung, Reise eines Chefkommentators vom Fernsehen nach Böhmen.
    – Ja wenn Sie das Thema wechseln wollen –: kontert der Genosse vom Kreis, dem man so nicht kommen darf. Er drückt sich nicht um sein Argument, hier ist es: Mit der New York Times kann ich nicht konkurrieren; ich muß mich auf meinen eigenen Ausschnittdienst verlassen.
    Eine alte Frau, langes ungleich geschnittenes weißes Haar hängt ihr unter einer Art Kapotthut in den Nacken. Sie sagt etwas Sanftes, zu Gutmütiges über hiesige Regierungskredite für Hauskauf.
    – Und wie ist es mit dem Dialog, über die Mauer hinweg?
    – Na sicher. Gewiß. (Eine erwartete Frage.)
    Die Kredite der Regierung, wenn man sich ein Haus kaufen will …
    – Mein Kommentar, in zwei Worten ist: Es war eine verdammt gute Sache, persönlich gesehen. ES WÄRE ZU JEDER ZEIT RICHTIG , EINE SACHE IN IHRER RICHTIGEN PERSPEKTIVE ANZUGEHEN . Als Westdeutschland den Marshall-Plan hatte, fing Ostdeutschland an mit dem blanken Nichts.
    Der Fürsprech hat es nicht leicht bei den Neugierigen, darunter sind Leser der New York Times, und aus der hat er sich nichts herausgeschnitten. Einer nennt sich einen echten Kommunisten. Einer ist ein Geistlicher, einer ein westdeutscher Gastarbeiter, einer
    war in der D. D. R. Es ist der Präsident der Vereinigung, er hat selbst mit den jungen Offizieren im Brandenburger Tor gesprochen. Weißhaarig, zu rot im Gesicht. Spricht in leicht klagendem Ton, schräg rechts nach hinten gegen den Boden. Die Posten an der Mauer gehen unbewaffnet, aber auf sie schieße man.
    Ja dann.
    – Warum kam es nicht zu einem Treffen zwischen S. P. D. und S. E. D. in Hannover?
    – Weil dieses kein Gespräch zwischen zwei souveränen Staaten sein sollte. Die richtige Antwort muß dem ungarischen Gast von dem Mann an der Kasse nachgeliefert werden. Der übersetzt das Wort »Handschellengesetz« über das amerikanische safe conduct ins Westdeutsche zurück: Freies Geleit. Die ostdeutschen Redner wollten nicht die Zusicherung von Straffreiheit, sondern diplomatische Immunität. Ein Bravo für den Mann an der Kasse!
    Da war auch einer mit einer Frage wegen Westberlins. Warum die Presse der D. D. R. immer Westberlin »auf« das Territorium der D. D. R. verlegt, statt es darin zu belassen, nach den natürlichen wie politischen Gegebenheiten. Das hätten auch wir gern gewußt. Wieso die westlichen Sektoren von Berlin bereits auf das Territorium der D. D. R. kamen, als es eine D. D. R. noch nicht gab. Jener Fragesteller bekam eine Gebärde aus hilflos erhobenen Armen, die von einer Flut anderer Fragen gelähmt waren: so liebenswürdig kann ein Ungar sein. Ließe man ihn nur, gerade diese Frage würde er für sein Leben gern beantworten. Der Mann mit der Verwandtschaft in Westberlin meldet sich nicht noch einmal. Die Cresspahl fürchtet ihn zu kränken, indem sie die Frage wiederholt. So erfahren wir das nicht von diesem zuständigen jungen Mann, der schon so viele Jahre fertig ist, und es bleiben wird.
    Der Präsident der Gesellschaft für das Studium der D. D. R. ist zum Schluß für den guten Willen. Anerkennen die D. D. R., nachdem das Studium vorangegangen ist. Und wir sind in den roten Zahlen, an die 250 Dollar. Wir werden also einen echten, alten, methodistischen

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