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Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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Amerikanerin. Mit so einer Pfeife wurde Jossif Vissarionovič unter die Leute gebracht in diesem Lande, als er noch Verbündeter sein sollte, wie ein guter Onkel verschmitzt blickte er auf jenem Foto.
    – Der Angeklagte und seine Ähnlichkeit mit dem Obersten Herrn des Gerichts.
    – Dabei fanden die Vernehmer nichts. Sie waren aus einem anderen Land, womöglich hatten sie jenes Bild nie gesehen.
    – Sagten sie zu Cresspahl auch »Väterchen«?
    – Sie redeten ihn bürgerlich an. Er sollte sich zurechnungsfähig fühlen, als Erwachsener, dem sind bei vollem Verstand Fehler beigekommen. Die waren festgestellt, nun sollte er die Verbrechen noch einsehen. Um ihm zu helfen, zeigten sie ihm Stücke von ihrer Ansicht: Slata war zu einem anderen Gericht gebracht worden, in die Sowjetunion. Ihr Name hatte nur dazu gedient, Cresspahl eine Verbindung mit einem Verbrecher gegen die Menschlichkeit nachzuweisen. Amalie Creutz war gar nicht in Haft. Wozu auch, nach Cresspahls eigener Aussage habe er ihr eine Schwangerschaft bereitwillig geglaubt, sein Gesuch auf eine Unterbrechung war beim Gesundheitsamt Schwerin aufgefunden worden und von ihm selbst nochmals abgezeichnet zum Beweis
    des Zieles
    der Verleumdung
    der Ehre
    der Roten Armee,
    Frau Creutz werde als Zeugin nicht mehr benötigt. Und gewiß waren die Herren erbötig, Fritz Schenk zu einer Gegenüberstellung zu bitten, sie erwärmten sich für den Einfall, nur war Schenk nicht mehr in Jerichow und von den deutschen Genossen als unabkömmlich gemeldet; so finde auch ein sowjetischer Untersuchungsrichter seine Grenzen. Stark übertrieben, das mit der Allmacht.
    – Auf wessen Seite bist du, Gesine! Du gehörst zu Cresspahl, und für ihn sprichst du nicht.
    – Warum soll ich auf einer Seite sein? was ich weiß hat mehr als bloß zwei.
    – Wäre es Cresspahl so recht?
    – Sie gingen noch mit ihm zurück bis ins Jahr 1935. Er hatte da Tischlerarbeiten für den Fliegerhorst Jerichow Nord geliefert, bis 1938, und noch einmal bis 1945. Er gab es zu. Er hatte demnach seit 1935, ohne nachweisbare Nötigung, dem deutschen Militarismus auf die Beine und in die Luft geholfen. Cresspahl sah immerhin ein, daß das eine im anderen stak, auch daß sie ihn von außen als einen Wegbereiter der Nazis nehmen wollten, er mochte nicht mitgehen auf die Brücke zu der wirtschaftlichen Sabotage in Jerichow, die er als der Faschist von damals und von heute betrieben hatte; er unterschrieb das nicht. Sie versuchten es noch einmal mit Gegenleistungen. Als er nach seinem Kind in Jerichow fragte, wehrten sie ihn streng ab, mit Kopfschütteln über seine Begriffsstutzigkeit; nach zwei Wochen verrieten sie ihm doch, daß die Schülerin Cresspahl in die gneezer Brückenschule versetzt war mit einer Zwei in Russisch. Er dankte ihnen für die Abweichung von der Regel, er ging von seinen eigenen nicht ab. Sie schalten ihn aus nicht ohne Betrübnis; sie hatten das Ziel verfehlt, ihn zwischen die subjektive und die objektive Wahrheit zu setzen, mindestens. Tatsachen besaßen sie inzwischen genug; ihn konnten sie aufgeben. Er kam in ein Lager, in dem ehemals die Nazis Häftlinge gehalten hatten, das sollte er in Ordnung bringen helfen.
    – War das das Urteil?
    – Es war ein Lager zum Warten. Die Herren vom S. M. T. Schwerin hatten ihm nicht gedroht mit einem Strafmaß, nur einmal gefragt in ihrer Ratlosigkeit: ob er denn lieber dreißig Jahre in Haft sitzen wolle als fünfzehn, oder allerhöchstens zwanzig.
    – Er war geschickt genug, du hattest Post von ihm.
    – Das Lager war gut bewacht, mit Hundestreifen zwischen dem doppelten Stacheldraht, mit Scheinwerfern in der Nacht. Er war da mit anderen zusammen, aber die wurden in raschem Wechsel zu den Urteilsbegründungen überführt und außer Landes, sie konnten Bestellungen nicht mitnehmen. Nicht einmal in der Arbeit konnte er eine Nachricht nach draußen schmuggeln; die Bettstellen, die Fensterkreuze, die Barackenteile, alles blieb innerhalb des Zauns. Ohnehin konnte er den nächsten Ort nur schätzen. Irgend wo im Südwesten Mecklenburgs mochte er sein. Andere wußten es ganz genau und sprachen von Neustadt-Glewe; das paßte nicht zu der Route, soweit er sie beim nächtlichen Transport hatte erkennen können.
    – Welche Zeit haben wir jetzt?
    – August 1946.
    – Dann will ich den Führer machen durch Staten Island, New York, as of May, nineteen-sixty-eight.

    Die tschechoslowakischen Kommunisten haben bezahlen müssen. Damit ihnen die 11 000 Mann

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