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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Mädchen hinter der Theke, einen Bienenkorb von blonden Haaren auf dem Kopf, sie hält die Lippen stramm, der ist etwas schief gegangen an diesem Morgen. Der würden wir gerne die Karikatur zeigen, die im neuesten New Yorker abgebildet ist, die wir aufgehoben haben für D. E.s Ergötzung: Unter einem Schild »Service with a Smile«, hier werden Sie mit 1 Lächeln bedient, steht ein Fleischer in der Schürze, überreicht einer Kundin die Tüte mit ihren Einkäufen, blickt ein bißchen begriffsstutzig, fragend, ernst. Die Dame vor ihm reißt die Nase hoch vor Ärger, die hat Falten um den Mund vor Indignation. Darunter steht was sie wissen will: »Well?« Na? Wie wär’s mit einem Lächeln?
    Ganz anders als sonst bei Verkaufsvorgängen wird hier gefragt, knapp, schnippisch: Hausausweis? Nummer der Sozialversicherung? Abteilung? Telefon des Abteilungsleiters?
    Angestellte gegen Angestellte. Die bringen wir mal auf Zack, uns fällt die Grimasse der vorgetäuschten Freundlichkeit auch schwer an so manchem Morgen, von Leuten wie diesen aber haben wir sie auf ausdrückliches Verlangen gelernt. Der werden wir mal zeigen, wo es lang geht, nämlich einen Weg zum Telefon des angeblich verehrten Herrn de Rosny, ohne ihr seinen Namen zu verraten. Hier, einmalig in der Welt, bitte treten Sie vor, Eintritt frei: ist zu beobachten, wie die Miene einer Angestellten über Betretenheit, Furcht, Gesten der Demut und Unterwerfung sich verwandelt ins Herzliche. – I am ever so sorry, madam! My apologies –!
    Dann haben wir uns beide ein wenig geschämt und ganz ordentlich beraten, wie man das streicht, einen Flug nach Frankfurt am Main am 19. August abends für zwei Personen, auch ein gemietetes Cabriolett, mit dem wir losfahren wollten zum Grenzübergang Waidhaus im Oberpfälzer Wald, guten Tag ihr Tschechen und Soldaten! Das Datum, die Zeit, kann so bleiben. Nur möchten wir nunmehr auf die Reise gehen mit der Scandinavian, es darf auch die Pan- American sein, wenn sie nur morgens in København ankommt. Unsere Freundin Anita will das so, die werden Sie kaum kennen. In der Nähe des Platzes Kastrup wird es doch ein Hotel geben, am Strand, das nimmt Leute schon frühmorgens auf, so bis zum frühen Nachmittag. Zum Ausschlafen, fragen Sie. Das haben wir uns tatsächlich so gedacht; wir verstehen uns jetzt, oder? Wenn der Speisesaal des Hotels in der Regel überlaufen ist, wünschten wir eine Reservierung für einen Tisch mit vier Gedecken. Obwohl wir nur zwei sind? wir danken für Ihre Aufmerksamkeit. Das ist so: wir bleiben gern unter uns beim Essen. Für sechzehn Uhr, so in der Drehe, eine Reservierung für einen Flug nach Ruzyně. Das sollte man schlechterdings auch in einem amerikanischen Reisebüro wissen, Flughäfen in einem kommunistischen Lande! bei Prague. Prag. Praha. Da wäre eine Zwischenlandung in Schönefeld bei Berlin? Wir haben keine sonderliche Furcht vor einem Transit in Ostberlin. Und was soll aus dem Leihwagen werden, haben wir den vergessen? Es verhält sich anders, wir halten es für unmachbar. Unmöglich, aber dankbar: as the actress said to the bishop. Wie, Sie wollen ein Fernschreiben senden in ein kommunistisches Land, damit da am 20. um 20 Uhr ein Auto reserviert steht von jenen Leuten, who try harder? Die sich mehr Mühe geben, genau wie Sie? Wissen Sie was? Ihnen schreiben wir ne Ansichtenpostkarte. Visum? haben wir. Internationaler Führerschein? vorhanden. Die Rechnung geht an die Bank? das tut sie. Leinen zu heiß für 75 Grad Fahrenheit? Sie würden sich wundern, wie das kühlt. Versuchen Sie’s mal bei Bloomingdale.
Wir
haben zu danken!
     
    II .
    Eine gute Stunde bevor die Kaufhäuser an der Fünften Avenue überlaufen sind vom Personal der Mittagspause, steht Mrs. Cresspahl als Kundin in einer Kofferabteilung. Es hätte Abercrombie & Fitch sein sollen, aber da hat ein Mensch aus der Tschechoslowakei sich erschossen am Freitag der vorvorigen Woche. Wir wüßten die Tür, die der Lift passieren würde. Von diesem Kaufhaus würden wir sagen: es kommt vielleicht um drei vom Hundert billiger.
    Ist es das Kostüm, die Börse aus Krokodilleder, das Schuhwerk aus der Schweiz? Oder es ist der Frisur der Kundin anzusehen, daß ein Herr Boccaletti sich darum bemüht hat? denn es naht die Directrice in eigener Person, die möchte diese Person bedienen. Nun entgehen den jüngeren Verkäuferinnen die Prozente aus dem Verkaufsvorgang. Einen guten Morgen wünscht sie, ein Wetterchen nennt sie den strahlenden Schmutz

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